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TTB 117: Lichter des Grauens

TTB 117: Lichter des Grauens

Titel: TTB 117: Lichter des Grauens
Autoren: Hans Kneifel
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nicht. Dafür brauchen wir einen Menschen. Unlogische, afunktionelle oder manipulierte Entscheidungen zu treffen. Eine Maschine verarbeitet mehr oder minder exakte Informationen zu maximalen Handlungen. Was aber ist, wenn diese Handlung nicht maximal sein darf? Die Maschine versagt.«
    »Eine Frage, Euer Gnaden!« warf Thyerry von Nivara ein, Ankläger des Imperiums. Auch er kannte dies alles nicht.
    »Bitte?«
    »Sie sprachen soeben von Handlungen oder Entscheidungen. Ist denn einer der Idioten in der Lage, eine richtige Entscheidung zu fällen? Er besitzt doch nur den Bruchteil desjenigen Wissens, über das einer der ruhigen, ausgeglichenen Piloten verfügt? Man könnte, so glaube ich, auch einen dressierten Affen in ein Schiff setzen …?«
    Ritter Renaut lächelte und seufzte dann.
    »Wir versuchten es, Thyerry, wir versuchten auch dies. Außerdem versuchten wir es mit Kindern jeder Altersstufe, mit Delphinen in Spezialtanks, mit Spiegeln und Filtern und mit halbbewußtlosen Piloten, mit solchen, die man künstlich unter Alkohol gesetzt hatte und noch endlos vielen anderen Tricks auch, die aufzuzählen ich mir und Ihnen ersparen möchte.«
    »Und – umsonst?« fragte der Ankläger.
    »Selbstverständlich umsonst«, erwiderte der Richter. »Wir sahen schon nach wenigen Versuchen, daß auch der hoffnungsloseste Schwachsinnige etwas besitzt, was keine Maschine je entwickeln kann. Ein Hirn, das so tief überschattet, verschüttet, verklemmt und zurückgezogen liegt, daß jeder Weg zu seinen Zellen über das Unterbewußte führt.
    Und somit konnte jeder Debile, der als Pilot in einem Sternenschiff saß, ohne jede Hemmung im richtigen Moment die richtige Entscheidung treffen. Jede Entscheidung, die bisher in diesen Situationen getroffen wurde, war richtig. Nur einmal kam ein Schiff infolge eines Materialfehlers vom Kurs ab und sank nicht entlang dem Peilstrahl auf den Raumhafen, sondern siebentausend Kilometer davon entfernt. Dies geschah auf Tejedor, und es führt uns nun wieder zurück zu unserem Prozeß.«
    T’Glastonbury stand auf und sagte steif, nicht ohne Triumph in der Stimme: »Es wird, so vermute ich, jeden Terraner recht eigenartig berühren, wenn er hiermit erfährt, daß die Sternenschiffahrt von der Existenz von Schwachsinnigen abhängig ist.«
    Renaut rang sich ein Lächeln ab.
    »Mit bemerkenswertem Scharfsinn hat der Herr Verteidiger soeben der Menschheit gesagt, aus welchem Grund die Imperiumsbehörden so lange schwiegen. Warum auch so selten einer dieser Piloten das Schiff verließ. Geschah dieses, dann nur auf Terra, nie auf einer Kolonie. Wir mußten diese beiden Faktoren voreinander verbergen: den Piloten vor der Welt, die er niemals verstehen würde. Die Welt vor Schwachsinnigen, die als hochqualifizierte Piloten galten.
    Die Enttäuschung wäre riesengroß geworden. Ich bin noch nicht zu Ende.«
    Ritter Renaut sank in sich zusammen, griff zitternd nach dem Glas mit dem goldgelben Inhalt; man hatte das Opiat eingefärbt, um es für die Linsen der Kamera nicht purpurn erscheinen zu lassen. Dann, ganz langsam, kehrten Leben und Farbe in Renaut zurück. Er sprach weiter.
    »Es funktionierte alles sehr zufriedenstellend. Die Sternenschiffahrt verlor in den letzten sechzig Jahren nur ein einziges Schiff. Ein Werftunfall. Allerdings zeichnete sich ein teilweise erhoffter, aber niemals mit Sicherheit erwarteter Nebeneffekt ab: Die Debilen schnappten über!
    Verzeihen Sie den trivialen Ausdruck; indes – sie taten dies wirklich. Sie flogen zehn Jahre durch den Kosmos, erblickten auf jeder Fahrt Dutzende Male Dinge, deren Bedeutung sie nicht erkannten, die sie aber beeinflußten. Zuerst drohte ihr Kopf zu zerspringen; die Schmerzen wurden von Mal zu Mal stärker. Und schließlich zerbrach die Schale, die das wahre Hirn, das offene Bewußtsein isoliert hatte … Die Männer wurden normal. Schlagartig. Eine Symptomsicherheitsschaltung schloß die Steuerung ab. Es wurde unmöglich, einen Meiler hochzufahren oder auch nur ein Instrument zu schalten. Die Piloten erwachten. Sie hatten einen Wortschatz und konnten die Botschaft lesen, ein Band mit Variationsmöglichkeiten hören. Sie hatten das Hirn eines dümmlichen Zehnjährigen – meistens. Und wenn sie dann nach Terra zurückkehrten, waren sie mit Hilfe von Speziallexika wesentlich klüger als ein Zwanzigjähriger. Bildungshunger war in ihnen. Eine Spezialschulung tat innerhalb eines Jahres den Rest. Die Namen wurden verändert, die Akten über Herkunft
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