Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
TTB 106: Der dritte Planet

TTB 106: Der dritte Planet

Titel: TTB 106: Der dritte Planet
Autoren: Richard Matheson
Vom Netzwerk:
selbst und ihren Vater an. Er hielt seinen Blick auf den Teller gerichtet. Das Essen schmeckte nach nichts, und er fühlte sein Herz dumpf gegen seine Rippen schlagen. Der letzte Tag. Es ist der letzte Tag!
    »Iß lieber tüchtig«, sagte er zu seiner Frau.
    Sie setzte sich und fing an zu essen. Als sie den Löffel hob, summte es an der Haustür. Der Löffel glitt ihr aus den Fingern und fiel klappernd auf den Fußboden. Er streckte schnell seinen Arm aus und legte eine Hand auf ihre.
    »Alles in Ordnung, Liebling«, sagte er. »Alles in Ordnung.« Er wandte sich zu den Kindern um. »Geht und macht die Tür auf«, befahl er.
    »Beide?« fragte seine Tochter.
    »Beide.«
    »Aber ...«
    »Tut, was ich sage!«
    Sie glitten von ihren Stühlen, gingen aus dem Zimmer und blickten dabei erstaunt zu ihren Eltern zurück.
    Als sie nicht mehr zu sehen waren, wandte er sich wieder seiner Frau zu. Ihr Gesicht war blaß und verkrampft; ihre Lippen hatte sie fest zusammengepreßt.
    »Bitte, Liebling«, sagte er. »Bitte! Du weißt, daß ich euch nicht mitnehmen würde, wenn ich auch nur den geringsten Zweifel an unserer Sicherheit hätte! Du weißt, wie oft ich dieses Schiff schon geflogen habe! Und ich weiß genau, wohin wir fliegen. Glaube mir: es ist sicher!«
    Sie drückte seine Hand gegen ihre Wange, schloß die Augen. Große Tränen drängten sich unter den geschlossenen Lidern hervor und liefen über ihr Gesicht.
    »Es ist keine Angst«, sagte sie mühsam. »Aber ... der Abschied für immer ... Unser ganzes Leben haben wir hier verbracht. Es ist nicht wie ein Umzug. Wir können nie wieder hierherkommen. Nie.«
    »Hör zu, Liebling!« Seine Stimme klang aufgeregt. »Du weißt es ebensogut wie ich. In wenigen Jahren, vielleicht früher schon, gibt es wieder einen entsetzlichen Krieg. Auf dieser Welt wird nichts Lebendes übrigbleiben. Wir müssen fliehen. Für unsere Kinder, für uns selbst ...«
    Er schwieg und versuchte, sich seine Worte ganz klarzumachen.
    »Für die Zukunft des Lebens selbst«, sagte er dann unentschlossen. Es tat ihm leid, als er es gesagt hatte. Früh am Morgen, bei prosaischem Essen, klangen solche Redensarten selbst dann falsch, wenn sie richtig waren.
    »Die Hauptsache ist, daß du keine Angst hast«, schloß er. »Es passiert uns bestimmt nichts.«
    Sie drückte seine Hand.
    »Ich weiß«, sagte sie ruhig. »Ich weiß es.«
    Sie hörten Schritte. Er nahm ein Papiertaschentuch und gab es ihr. Sie betupfte hastig ihr Gesicht damit.
    Die Tür ging auf. Die Nachbarn und ihre Kinder kamen herein. Die Kinder waren aufgeregt.
    »Guten Morgen!« sagte der Nachbar.
    Die Nachbarin ging zu seiner Frau. Beide traten zum Fenster und sprachen leise miteinander. Die Kinder standen umher, bewegten sich unruhig und sahen einander nervös an.
    »Haben Sie schon gegessen?« fragte er den Nachbarn.
    »Ja. Halten Sie es nicht für richtig, sofort aufzubrechen?«
    »Ich denke«, sagte er.
    Sie ließen alles auf dem Tisch stehen. Seine Frau ging nach oben und holte Kleidungsstücke.
    Auf der Veranda blieben er und seine Frau noch einen Augenblick stehen, während die anderen schon zum Wagen gingen.
    »Ob wir die Tür zuschließen?« fragte er.
    Sie lächelte hilflos und fuhr sich mit einer Hand durchs Haar. »Spielt es eine Rolle?« sagte sie dann achselzuckend und wandte sich ab.
    Er schloß die Tür zu und ging ihr nach. Als er sie einholte, wandte sie sich zu ihm.
    »Es ist ein hübsches Haus«, murmelte sie.
    »Denke nicht mehr daran«, sagte er.
    Sie wandten dem Haus ihre Rücken zu und stiegen in den Wagen.
    »Haben Sie zugeschlossen?« fragte der Nachbar.
    »Ja.«
    Der Nachbar lächelte verkrampft. »Wir auch«, sagte er. »Ich wollte es eigentlich unverschlossen lassen, bekam es dann aber doch nicht fertig und bin noch einmal zurückgegangen.«
    Sie fuhren durch stille Straßen. Der Rand des Himmels fing an, sich rot zu färben. Die Frau des Nachbarn saß mit den vier Kindern hinten, seine Frau und der Nachbar vorn bei ihm.
    »Es wird ein schöner Tag«, sagte der Nachbar.
    »Ich glaube auch«, versetzte er.
    »Haben Sie Ihren Kindern die Wahrheit erzählt?« fragte der Nachbar leise.
    »Natürlich nicht!«
    »Ich auch nicht«, sagte der Nachbar bekräftigend. »Ich habe nur so gefragt.«
    »Oh.«
    Eine Zeitlang fuhren sie schweigend weiter, bis der Nachbar fragte: »Haben Sie manchmal das Gefühl gehabt, daß wir ... ausrücken?«
    Er straffte sich. »Nein!« sagte er und preßte die Lippen zusammen.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher