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TS 94: Sehnsucht nach der grünen Erde

TS 94: Sehnsucht nach der grünen Erde

Titel: TS 94: Sehnsucht nach der grünen Erde
Autoren: Fredric Brown
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preßte leicht die Handflächen zusammen, und sie waren feucht und klebrig. Ebenso die Vorderseite seines Hemdes und die Schenkel- und Kniepartien seiner Hose.
    Und er hatte Schuhe an!
    Das Blut, das die Glasscherben verursacht hatten, als er über die Mauer geklettert war, klebte noch an seinem Körper. Und nun verließ ihn auch die Analgesie, und Schmerz durchflutete seine Hände, seinen Brustkorb, seinen Magen und seine Beine. Scharfer, brennender Schmerz.
    Laut sagte er:
    „Ich bin nicht verrückt! Ich bin nicht verrückt!“
    Schrie er es?
    Eine Stimme sagte:
    „Nein. Noch nicht.“
    War es die Stimme, die er schon früher in diesem Raum hier vernommen hatte? Oder war es die des Mannes, der im beleuchteten Raum gestanden hatte, dort, beim Schreibtisch? Oder waren beide Stimmen identisch?
    Die Stimme sagte:
    „Frag: ,Was ist der Mensch?’“
    Automatisch fragte er es.
    Als Antwort kam: „Der Mensch ist eine Sackgasse in der Evolution. Der Mensch ist es, der zu spät kam, um sich mit dem anderen messen zu können, der schon immer von dem strahlend Hellen kontrolliert und als Spielzeug benutzt wurde, von ihm, der alt und weise war, noch ehe der Mensch lernte, aufrecht zu gehen.
    Der Mensch ist ein Parasit, auf einer Welt, die schon vor ihm bevölkert war, bevölkert von einem Wesen, das eins ist und auch viele, das Milliarden Zellen besitzt, aber nur einen einzigen Geist, einen einzigen Intellekt, einen einzigen Willen – wie es auf jeden anderen bevölkerten Planeten im Universum zutrifft.
    Der Mensch ist ein Zerrbild, ein Clown, ein Parasit. Er ist ein Nichts; er wird noch weniger sein.“
    „KOMM UND WERD’ VERRÜCKT!“
    Abermals erhob er sich vom Bett; er trat seinen Weg an. Schritt hinaus aus der Schlafkammer, den schmalen Gang entlang. Zur Tür, die in den großen Raum führte, der diesen Flügel abschloß; unter ihr schien ein Spaltbreit Licht. Aber diesmal streckte sich seine Hand nicht nach der Klinke aus. Statt dessen stand er reglos da und blickte auf die Tür. Sie begann zu glühen; langsam gewann sie an Helligkeit und wurde erkennbar.
    Als sei von irgendwo ein unsichtbarer Lichtstrahl auf sie gerichtet, verwandelte sich die Tür zu einem leuchtenden Rechteck in der Schwärze ringsum; wurde genauso strahlend hell wie der Lichtstreifen unter ihr.
    Die Stimme sagte:
    „Du siehst vor dir eine Zelle deines Meisters, eine Zelle, die, für sich gesehen, keine Intelligenz aufweist, aber dennoch ein winziger Teil eines Gliedes ist, das Intelligenz besitzt – eine von Trillionen Gliedern, die den Intellekt ergeben, der Herr über die Erde ist – und über dich. Und der wiederum nur einer von Millionen Intellekten ist, die das Universum beherrschen.“
    „Die Tür ? Wie soll ich das ver…?“
    Die Stimme kam nicht mehr; sie hatte sich zurückgezogen, aber in seinem Geist echote ein stilles Gelächter.
    Er beugte sich weiter vor und sah, was ihm zu sehen bestimmt war:
    Eine Ameise krabbelte die Tür hinauf.
    Sein Blick folgte ihr, und eisiges Entsetzen jagte über sein Rückgrat. Hunderte Dinge, die man ihm berichtet und gezeigt hatte, ergaben plötzlich ein Bild, ein Bild schieren Terrors.
    Die Schwarzen, die Weißen, die Roten – die schwarzen Ameisen, die weißen Ameisen, die roten Ameisen. Separate Lappen eines einzige Kollektivhirns. Der Intellekt als Einheit. Der Mensch eine Laune des Zufalls; ein Parasit, eine Marionette, ein Bauer im Schachspiel … Eine Million Planeten im Universum, jeder beherrscht von einer Insektenrasse, die für ihre Welt den Intellekt ausmacht – und alle Intellekte zusammengenommen bildeten den einzigen kosmischen Intellekt, und dieser war …
    Das Wort ließ sich nicht aussprechen.
    Statt dessen wurde er – verrückt.
    Er schlug gegen die nun wieder dunkle Tür mit seinen blutigen Händen, seinen Knien, seinem Gesicht, mit seinem ganzen Körper, obwohl er bereits vergessen hatte, warum – vergessen hatte, was er zerschlagen wollte.
    Er tobte – Dementia praecox, nicht Paranoia –, als man seinen Körper erlöste, indem man ihn in eine Zwangsjacke steckte; erlöste von der Raserei, erlöste durch innere Ruhe.
    Er war auf stille Weise verrückt – Paranoia, nicht Dementia praecox –, als man ihn elf Monate später als geheilt entließ.
    Paranoia, müssen Sie wissen, ist ein eigenartiges Leiden; es hat keine physischen Symptome, es ist lediglich eine Wahnidee. Eine Reihe von Metrazol-Schocks hatte die Dementia praecox aufgehoben und nur die Wahnidee
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