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TS 83: Der Mann, der ein Roboter war

TS 83: Der Mann, der ein Roboter war

Titel: TS 83: Der Mann, der ein Roboter war
Autoren: Michael Schenk
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angezogen wurde, obwohl er die Erinnerung daran inzwischen verloren hatte.
     
    *
     
    An jenes Erlebnis jedoch, das er vor fast zwei Monaten in Corells Park hatte, konnte sich Keith sehr gut erinnern: sie waren zu sechst. Joan, einige Kameraden aus dem Sportklub und er selbst. Sie hatten mit Pfeil und Bogen auf die Scheibe geschossen, ein Spiel mit dieser altertümlichen ,Waffe’, das während seines Heilschlafes wieder in Mode gekommen war.
    Anfangs fiel ihm nur auf, daß Joan regelmäßig einige Male die absolute Mitte der Scheibe traf, so daß sich die Pfeilspitzen gegenseitig verdrängten, und dann wieder nachlässig etliche Schüsse so weit an den Rand setzte, daß es wie Absicht aussah. Der letzte Pfeil ihrer Serie verfehlte die Scheibe völlig und flog zwischen den Bäumen hindurch bis unter einen der frisch gefällten Stämme, die für den Abtransport nebeneinander aufgereiht lagen.
    Joan ging, ihn zu suchen. Keith folgte ihr, um sich einen Augenblick allein mit ihr zu unterhalten, und Joan hatte ihn nicht bemerkt. Er trat gerade hinter einer breitstämmigen uralten Eiche hervor, als er zuerst zweifelnd, dann aber verblüfft mitansehen konnte, wie sie den klobigen Stamm der entasteten Hainbuche spielend leicht anhob und beiseite legte, ehe sie den Pfeil aufnahm.
    Mit einiger Geschicklichkeit gelang es ihm, sich unbemerkt vor ihr unter die anderen zu mischen. Er hatte Mühe, ein unbefangenes Lächeln zustande zu bringen, als sie ihm lachend ins Gesicht sagte, sie habe erst einige Baumstämme wegtragen müssen, um an den Pfeil heranzukommen.
    Es war für ihn ein leichtes, die entsprechenden Folgerungen zu ziehen, nachdem er sich überzeugt hatte, daß der Stamm mindestens zweieinhalb Tonnen wog.
    Joan mußte ein Roboter sein. Und zwar ein nicht registrierter, nicht gekennzeichneter humanoider Roboter! Das bedeutete weiterhin, daß selbst er nicht fähig gewesen war, einen künstlichen Menschen von einem natürlichen zu unterscheiden, obgleich er Joan besser zu kennen geglaubt hatte als je einen anderen.
    Auch die nächsten Gedanken reihten sich wie von selbst an. Einen so menschlichen Humanoiden, ein solch natürliches künstliches Gehirn gab es nicht, das stand außer Zweifel, schließlich verstand er etwas von diesen Dingen. Er wußte ebenso sicher, daß Joan schwindeln konnte, daß sie unlogisch und emotional verhaltensbestimmt war, wie es nur eine menschliche Frau sein konnte. Also mußte Joan ein menschliches Gehirn und einen humanoiden Körper haben! Ungeheuerlich, aber logisch einwandfrei.
    Vor der Folgerung aber, daß diese Tatsache erst seit dem Unfall bestehen, daß er selbst daran schuld sein könnte, schreckte Keith zurück, obwohl er keine andere Erklärung dafür fand.
    Joan war ihm späterhin oft ausgewichen, und Keith fragte sich, ob die bittere Erkenntnis, nie ein eigenes Kind haben zu können, oder eine Schuld, die sie ihm dafür zuschrieb, der Grund dafür sein mochte.
    Das dezente Rauschen der Antriebsaggregate wurde zu einem hellen Knattern, als sie von der Automatik auf die Hubschraube umgeschaltet wurden. Keiths vernünftige Argumente vermochten das panische Aufbegehren seines Körpers nur wenig zu dämpfen, das ihn in den letzten Monaten immer befiel, wenn die Maschine sank. Ungefähr zwanzig Meter über dem Flachbau Corells fing sich der Schrauber und sank gleichmäßig wie ein Expreßlift auf das Dach.
    Jerry drückte die grüne Taste, die den Schrauber aus der zentralen Vermittlung nahm. Die Armaturenbeleuchtung erlosch, und die Rotorblätter falteten sich automatisch bis zum Rückflug zusammen.
     
    *
     
    Joan erwartete sie am Sicherheitsstrich und begrüßte beide mit einem herzlichen Händedruck:
    „Nett von dir, Elmar, daß du Jerry mitgebracht hast“, und zu dem Humanoiden gewandt: „Guten Abend, Jerry! Ich freue mich mit Vater.“
    Der Humanoid verbeugte sich.
    „Guten Abend, Joan! Für mich ist ein Besuch bei Professor Corell immer ein Erlebnis, aber er wird zu einem Ereignis durch Sie!“
    „Aber Jerry! Sie sind der Schmeichler unter den Humanoiden, oder soll ich besser sagen, der Humanoid unter den Schmeichlern?“ Sie blickte dabei vorwurfsvoll zu Keith hin, der schweigend dastand.
    Er mußte sich eingestehen, entgegen allen rationalen Argumenten so etwas wie Eifersucht zu empfinden. Gewiß, Jerry war sein Freund geworden, soweit eine Freundschaft zwischen Mensch und Roboter möglich war. Zumindest bestand zwischen ihnen ein erstaunlich tiefes Verständnis, das durch
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