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TS 71: Flitterwochen in der Hölle

TS 71: Flitterwochen in der Hölle

Titel: TS 71: Flitterwochen in der Hölle
Autoren: Fredric Brown
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Graham. Zu spät fiel ihm ein, daß er sich nach dem Beruf des Mannes hätte erkundigen sollen, bevor er ihn einließ. Es würde eine unangenehme Unterhaltung werden – Graham verabscheute Unverschämtheiten, aber nur sie würden helfen.
    „Doktor Graham, die Waffe, an der Sie arbeiten …“
    Der Besucher hörte auf zu reden und drehte seinen Kopf der Schlafzimmertür zu, die sich öffnete und einen fünfzehnjährigen Jungen zeigte. Der Junge bemerkte Niemand nicht, sondern rannte zu Graham.
    „Pappi, liest du mir jetzt was vor?“ Der Fünfzehnjährige lachte das süße Lachen eines Vierjährigen.
    Graham legte einen Arm um den Jungen. Er sah seinen Besucher an, um zu sehen, ob er über den Jungen Bescheid gewußt hatte. Da dessen Gesicht keinerlei Überraschung zeigte, nahm Graham an, daß er es gewußt haben mußte.
    „Harry“, sagte Graham, „Pappi ist jetzt beschäftigt. Es dauert nicht mehr lange. Geh in dein Zimmer zurück – ich komme gleich und lese dir vor.“
    „Max und Moritz? Wirst du mir Max und Moritz vorlesen?“
    „Wenn du willst. Jetzt geh wieder in dein Zimmer. Warte noch einen Augenblick – Harry, dies ist Mister Niemand.“
    Der Junge lächelte den Besucher fröhlich an. Niemand sagte: „Guten Abend, Harry“, und lächelte zurück, als er die Hand ausstreckte. Graham wußte jetzt sicher, daß Niemand unterrichtet gewesen war, denn das Lächeln und die Bewegung waren für das geistige Alter des Kindes bestimmt gewesen, nicht für sein körperliches.
    Der Junge nahm Niemands Hand. Einen Augenblick sah es aus, als wolle er auf Niemands Schoß klettern, aber Graham zog ihn behutsam zurück. „Geh in dein Zimmer, Harry“, sagte er.
    Der Junge schlüpfte in das Schlafzimmer zurück und ließ dabei die Tür offen.
    Niemand sah Graham ernst an und sagte dann: „Ich mag ihn wirklich gern – und ich hoffe, daß er noch lange Geschichten hören kann.“
    Graham sah ihn verständnislos an. „Wenn sein Vater so weiterarbeitet, wird es nämlich bald keine Menschen mehr geben …“, murmelte sein Besucher.
    Graham hatte Niemand sehr sympathisch gefunden, als Niemand so nett zu seinem Sohn gewesen war, aber seine letzte Bemerkung zeigte, daß er die Unterhaltung schnell beenden mußte. Er erhob sich mit einer verabschiedenden Geste und sagte: „Ich fürchte, ich verschwende Ihre und meine Zeit, Mister Niemand. Ich kenne Ihre Argumente – alles, was Sie sagen könnten, habe ich bereits Tausende von Malen gehört. Vielleicht ist es berechtigt, aber das kümmert mich wenig. Ich bin ein Wissenschaftler und nichts anderes. Ja, es ist allgemein bekannt, daß ich an einer Waffe arbeite – an einer ziemlich wirksamen. Aber für mich persönlich ist sie nur ein Nebenprodukt der Tatsache, daß ich durch diese Arbeit die Wissenschaft ein paar Schritte weiterbringe. Ich habe mir alles genau überlegt und ich habe herausgefunden, daß mich alles andere nicht interessiert.“
    „Aber, Doktor Graham, ist die Menschheit denn reif genug für eine solche Waffe?“
    Graham runzelte die Augenbrauen. „Ich habe Ihnen meinen Standpunkt erklärt, Herr Niemand.“
    Niemand erhob sich langsam aus seinem Stuhl. Er sagte: „Sehr gut, wenn Sie es vorziehen, nicht mehr darüber zu sprechen, dann werde ich auch nichts mehr sagen.“ Er fuhr sich mit der Hand über die Stirn. „Ich muß jetzt gehen, Herr Doktor … aber ich möchte es mir doch überlegen und den Drink annehmen, den Sie mir angeboten hatten.“
    Grahams Stimmung wurde wieder besser. Er sagte: „Sicher – genügt Whisky und Soda?“
    „Wunderbar.“
    Graham bat um Entschuldigung und ging in die Küche. Er holte die Flasche mit Whisky, die andere mit Soda, Eiswürfel und Gläser.
    Als er in das Wohnzimmer zurückkehrte, sah er, daß Niemand das Schlafzimmer des Jungen verließ. Er hörte, wie Niemand „Gute Nacht, Harry“ sagte und daß Harry fröhlich „‘Nacht, Mister Niemand“ antwortete.
    Graham machte die Drinks. Ein wenig später lehnte Niemand einen zweiten Drink ab und wollte aufbrechen.
    „Ich habe mir erlaubt, Ihrem Sohn ein kleines Geschenk mitzubringen, Herr Doktor. Ich habe es ihm gegeben, als Sie die Drinks für uns holten. Ich hoffe, Sie werden entschuldigen.“
    „Selbstverständlich. Danke schön. Gute Nacht.“
    Graham schloß die Tür und ging durch das Wohnzimmer in Harrys Zimmer. Er sagte: „So, Harry, jetzt wird Pappi dir eine Geschichte …“
    Plötzlich stand ihm der Schweiß auf der Stirn, aber er zwang sich dazu,
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