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TS 53: Alle Zeit der Welt, Teil 1

TS 53: Alle Zeit der Welt, Teil 1

Titel: TS 53: Alle Zeit der Welt, Teil 1
Autoren: Henry Kuttner
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gedämpfte Musik zu einem schrillen Crescendo an, als in den weitentfernten Sümpfen ein Gegner über den anderen triumphierte.
    „Wenn du nur der Mann wärst, den dein Aussehen erwarten läßt“, fuhr Kedre Walton fort. „Du hast einen scharfen Verstand, Sam; schade, daß du zu schnell sterben mußt, um wirklich Gebrauch davon zu machen. Ich wünschte, wir wären vom gleichen Schlag; dann würde ich dich heiraten.“
    „Wie kommt man sich eigentlich als Göttin vor?“ fragte Sam.
    „Verzeih. Das klang gönnerhaft, und du verdienst nicht, daß ich so mit dir spreche.
    Wie man sich vorkommt? Nun, wir sind gewissermaßen unsterblich, und dafür können wir nichts. Unsere Unsterblichkeit gibt uns ein befriedigendes und gleichzeitig erschreckendes Gefühl. Sie erlegt uns Verantwortung auf.
    Wir tändeln nicht nur, Sam. Ich habe meine ersten hundert Jahre damit verbracht, daß ich reiste und mich unterrichtete, Menschen und Verhältnisse kennenlernte. Dann kniete ich mich ein Jahrhundert lang in die Kunst des Ränkespiels und übte mich darin, an den Drähten zu ziehen, die die Marionetten im Rat tanzen lassen. Ich trainierte meine geistige Gelenkigkeit und lernte, die Eitelkeit der Menschen auszunutzen und sie so zu lenken, wie es mir gefällt.
    Diese Kunstgriffe beherrschst du selbst; nur lebst du eben nicht lange genug, um alle Listen so zu meistern wie ich. Trotzdem strahlst du eine Wirkung aus, die mich – aber lassen wir das.“
    „Sage nur nicht zum zweitenmal, daß du mich heiraten würdest. Du hättest damit bei mir kein Glück.“
    „O doch. Vielleicht versuche ich es sogar tatsächlich mit einem Burschen von deiner Sorte. Vielleicht …“
    Sam beugte sich vor und tastete nach dem Lichtschalter. Als er ihn drehte, wurde es hell in dem kleinen Gemach. Kedre hielt die Hand vor ihre schönen, zeitlosen Augen und lachte halb protestierend, halb überrascht.
    „Sam! Laß das. Das Licht blendet mich.“ Sie griff nach dem Schalter.
    Sam fing ihre Hand ab und umschloß die schweren Goldreifen.
    „Nein. Hör zu. Ich gehe jetzt und will dich nie wiedersehen. Verstanden? Mir liegt nichts an dir.“ Übergangslos stand er auf.
    Mit einer raschen, schlangenhaft geschmeidigen Bewegung schnellte Kedre in die Höhe. Der goldene Anzug, der sie umhüllte, funkelte im Licht.
    „Warte. Nein, warte! Vergiß, was ich gesagt habe, Sam. Das war alles Geschwätz. Ich wollte dir auf den Zahn fühlen. Komm mit zur Freistatt. Wir müssen etwas besprechen.“
    Sam blickte sie kalt an. Unter den dichten roten Brauen glitzerten seine Augen wie Stahlsplitter. Er nannte die Summe, die seine Begleitung sie kosten würde.
    Kedre kräuselte die Lippe und sagte, sie würde sie bezahlen. Das feine ägyptische Lächeln lag in ihren Mundwinkeln.
    Hinter ihr verließ Sam das Gemach.

 
8.
     
    Die Freistatt ähnelte der halbvergessenen Ursprungswelt der Menschheit. Sie lieferte ein Abbild der Erde, aber ein ungenau wiedergegebenes und verschöntes Abbild.
    Sie bestand aus einer gewaltigen Halbkuppel, die wie eine Bienenwabe in Zellen unterteilt war. Die Zellen wölbten sich muschelförmig über einen weitgespannten Saal. Jede einzelne Zelle konnte abgeschirmt werden. Durch eine Umschaltung der Strahlvorhänge ließ sich das Trugbild erzielen, daß die Insassen mitten in einem unermeßlichen, überfüllten Raum saßen. Man konnte aber auch die Illusion eines terrestrischen Hintergrundes genießen, die der Erbauer eigentlich beabsichtigt hatte.
    Palmen und Pinien schienen aus dem natürlich anmutenden Grasboden zu wachsen; Weinstöcke, Rosensträucher und blühende Obstbäume machten sich gegenseitig den Platz streitig. Doch sie blieben bloße Nachahmungen der Wirklichkeit, wenn auch nur Gelehrte den Unterschied erkannten. Denn Jahreszeiten gehörten längst der Geschichte an.
    Die Vorstellung mußte fremd und reizvoll bleiben – der Gedanke an die Tag- und Nachtgleichen, an das Antlitz der Erde, dessen Farbe sich von Braun und Grün in glitzerndes Weißblau verwandelte, an den Zauber zarter grüner Blätter und grüner Knospen, die den Bäumen entsprossen, an den Kreislauf der Natur, der sich nach eigenem Willen abspielte und nichts mit dem geregelten Wachstum der hydroponischen Gärten gemein hatte.
    Kedre Walton und Sam Reed betraten die Freistatt. Von der Bühne, über die sie schritten, konnten sie zu der ungeheuren, leuchtenden Halbkugel hochblicken, in der sich funkelnde Zellen wie Splitter aus einem grellen, explodierten Traum
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