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TS 53: Alle Zeit der Welt, Teil 1

TS 53: Alle Zeit der Welt, Teil 1

Titel: TS 53: Alle Zeit der Welt, Teil 1
Autoren: Henry Kuttner
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drängten und in einem Wirbel aus Lichtbahnen schwebten und wendeten, stiegen und fielen. Weit, weit unten drängten sich Männer und Frauen und verwandelten die gewundene Bar in eine schwarze, hundertfüßige Schlange.
    Kedre sprach in ein Mikrophon. Eine der kreisenden Zellen verließ ihre Bahn und stieß sacht gegen die Landebühne. Sie traten hinein, und der leise schwankende Boden verriet Sam, daß die Zelle sich wieder von der Bühne gelöst hatte.
    Ein Mann und eine Frau lehnten in den Kissen neben dem niedrigen Tisch. Den Mann kannte Sam vom Sehen. Er hieß Zacharias Harker und war der Sippenälteste einer der großen unsterblichen Familien.
    Er war groß, schlank und gutgebaut. Auf seinem Gesicht stritten sich Erfahrung und Reife mit der zeitlosen Jugend, die seine Züge ungealtert und ohne Runzeln erhalten hatte.
    Die Frau –
    „Sari, meine Liebe“, sagte Kedre, „ich habe dir einen Gast mitgebracht. Sari ist meine Enkelin. Zacharias, dieser Mann heißt – ach ja, ich weiß nicht einmal seinen Namen. Er wollte ihn mir nicht sagen.“
    Sari Walton besaß das feingezeichnete, hochmütige Gesicht, das anscheinend ein Familienmerkmal darstellte. Ihr Haar, von unwahrscheinlichem Goldgrün und mit großer Sorgfalt in unordentliche Strähnen gekämmt, fiel locker auf ihre bloßen Schultern.
    Sie trug ein enganliegendes Gewand aus dem kostbaren Pelz eines Landtieres, durchzogen von verschwommenen Streifen, die ihm das Aussehen eines Tigerfells gaben. Dünn und biegsam wie Tuch, schmiegte sich das Pelzkleid bis zu den Knien eng an ihre Haut und fiel in weiten Falten über ihre Knöchel.
    Die beiden Unsterblichen blickten auf. Flüchtige Überraschung zeigte sich auf ihren Gesichtern.
    Groll darüber, daß sein Anblick die beiden verwunderte, durchflutete Sam wie eine heiße Woge. Plötzliche Befangenheit ergriff ihn wegen seines untersetzten Körpers, der gegen diese aristokratischen Gestalten abstach. Und zugleich empfand er seine Unreife. Wie ein Kind sich vor Erwachsenen verschließt, so nahm Sam den Harkers das überlegene Wissen übel, das aus ihren ruhigen, ausgeglichenen Zügen sprach.
    „Setz dich.“ Kedre wies auf die Kissen.
    Steif ließ Sam sich nieder, nahm ein gefülltes Glas entgegen und musterte die abgewandten Gesichter seiner Gastgeber mit einer Abneigung, die zu verbergen er sich nicht die Mühe machte.
    „Ich dachte an Hale, als ich ihn mitbrachte“, erklärte Kedre. „Er – wie heißt du nun eigentlich? Oder soll ich dich nach meinem Belieben nennen?“
    Mürrisch knurrte Sam seinen Namen. Kedre streckte sich auf den Kissen aus. Die Goldreifen an ihrer Hand schimmerten hell, als sie ihr Glas hob.
    Sie bot ein Bild anmutiger Gelöstheit, aber Sam spürte, daß sich ihrer Bewegung eine kaum merkliche Spannung mitteilte. Er überlegte, ob die anderen dieselbe Empfindung haben mochten.
    „Du mußt als erstes wissen, Sam“, sagte sie, „daß ich die letzten zwanzig Jahre in Beschaulichkeit verbracht habe.“
    Sam wußte, daß dieser Begriff einen Zustand der Andacht bezeichnete, ein sinnendes Nachdenken, während dessen Dauer der Meditierende sich von der Welt zurückzog, um in geistiger Einkehr Frieden und innere Ruhe zu finden.
    Sein Wissen um die Unsterblichen war größer, als die Harkers wahrscheinlich ahnten. Soweit ein Sterblicher dazu in der Lage war, erkannte er, wie ausgefüllt ein Leben sein mußte, das fast tausend Jahre umfaßte, wie stabil Verstand und Charakter zu sein hatten, um aus dieser Lebensspanne ein riesiges, eng aneinandergereihtes Mosaik zu formen; ein Mosaik, dessen Steinchen trotz allem die gleiche Größe hatten wie die Kiesel, die ein gewöhnliches Leben ausmachten.
    Denn ein Menschenalter mochte tausend Jahre währen, aber eine Sekunde blieb doch eine Sekunde für den, der sie durchlebte. Zeiten der Beschaulichkeit waren nötig, um das seelische Gleichgewicht zu erhalten.
    „Was ist los mit Hale?“ forschte Sam kurz angebunden.
    Robin Hale war zu einer volkstümlichen Gestalt geworden, weil er die Ungebundenheit der Freien Trupps verkörperte. Die tiefe Unzufriedenheit, die die Massen zur Primitivität hinneigen ließ, hatte sich Hales bemächtigt, ihn mit künstlicher Romantik umkleidet und begeisterte sich an seinem Vorhaben, die Kontinente zu erschließen.
    „Seine Pläne werden fehlschlagen“, versetzte Zacharias Harker. „Oder sind Sie der Meinung, er könnte Erfolg damit haben?“
    Sam verzog verächtlich den Mund. Er schnaubte und schüttelte den
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