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Trugschluss

Trugschluss

Titel: Trugschluss
Autoren: M Bomm
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Alles, was er jetzt tun
würde, konnte verheerende Folgen haben. Aber einfach sitzen bleiben? Zwischen
Bangen und Hoffen auf den Montag warten, bis sich Häberle meldete – oder auch
nicht? Er holte tief Luft und entschied, noch einmal die Handy-Nummer
anzuzrufen. Ewige Sekunden vergingen, bis sich in der Leitung was tat. Dann die
Enttäuschung: Mobilbox. Häberles Stimme vom Automaten. Nach dem Piepston sprach
Linkohr mit zitternder Stimme eine Botschaft auf das Gerät: »Hallo Herr
Häberle, ich hoffe, es geht Ihnen gut. Hier spricht Linkohr. Bitte rufen Sie
mich dringend an.« Dann nannte Linkohr seine Privatnummer und beendete das
Gespräch.
    Mehr als warten, konnte er jetzt nicht. Er
lehnte sich zurück, blickte wie gebannt zum Ödenturm hinüber – und schloss die
Augen. Er versuchte sich die Situation auszumalen, in der sich Häberle befand. Lugano, irgendwo in Lugano. Linkohr war nie dort gewesen. Deshalb nahm
die Stadt in seinen Gedanken keine Konturen an. Doch irgendwo dort in einem
Gebäude geschah in diesem Augenblick etwas, das er sich am besten nicht
vorstellen wollte.
     
    Häberle, ausgebildeter Judoka und Trainer für diese Sportart,
nutzte die Gunst der Sekunde, trat dem Mann mit dem Knie höllenmäßig
schmerzhaft zwischen die Beine und schmetterte ihm mit einem Handkantenschlag
die Pistole aus der Hand, die scheppernd auf den Steinboden fiel. Brobeil griff
geistesgegenwärtig danach, während der Fremde aufschrie und einen englischen
Fluch ausstieß. Der Überraschungseffekt war so groß gewesen, dass er keine
Gegenwehr leistete. Häberle drehte dem Mann die Arme auf den Rücken – so
schmerzhaft, dass dieser erneut einen jämmerlichen Laut von sich gab.
    »Sie sind verrückt«, schrie er jetzt,
während der Kriminalist Brobeil und Blühm um deren Hosengürtel bat und sie
aufforderte, die Arme des Mannes so fest sie konnten zu verschnüren.
    »Das wird Sie Ihren Job kosten«, brüllte
Armstrong. Häberle beeindruckte dies nicht. Er zwang ihn mit einigen Griffen in
die Knie, wogegen sich der Mann vergeblich mit Schreien zu wehren versuchte.
Augenblicke später lag er auf dem kalten Fußboden und hatte keine Chance, sich
gegen Häberles Bärenkräfte zu wehren. Dieser drückte dem Mann die Fußgelenke
zusammen, worauf Brobeil sie mit dem zweiten Hosengürtel fesselte. Ellen hatte
inzwischen auch ihren herausgezogen und ihn Häberle gereicht, der
vorsichtshalber die Handgelenke Armstrongs noch fester verzurrte.
    »Lassen Sie das!«, tobte der Gefesselte,
der zu zappeln begann, jedoch einsehen musste, dass er sich nicht würde
befreien können.
    »Keine Sorge«, beruhigte ihn der Kommissar
mit sonorer und ruhiger Stimme, »sobald wir morgen früh überm Grenzpfahl sind,
sorgen wir telefonisch dafür, dass man Sie findet. Sie werden hier nicht
verhungern.« Häberle war plötzlich bewusst geworden, dass er bis acht Uhr
morgen früh bleiben musste, weil erst dann am Campingplatz die Schranke
geöffnet wurde. Das war ärgerlich.
    »Hurensohn«, entfuhr es Armstrong, der
plötzlich sein bisheriges seriöses Auftreten zu vergessen schien.
    »Aber jetzt will ich sehen, was sich hier
abgespielt hat«, erklärte der Kriminalist seinen Begleitern und eilte auf jene
Tür zu, durch die sie vorhin bereits einen Blick in einen mit Geräten und
Apparaten vollgestellten Saal geworfen hatten. Zuvor entschied er aber, die
elektrische Beleuchtung auf dem Gang zu löschen. Das war sicherer, falls
jemandem im Vorbeifahren das Licht verdächtig erscheinen würde. Schließlich
waren, wenn das Projekt erst gestern abgeschlossen wurde, gewiss noch andere
Personen in Lugano oder Agno, denen das beleuchtete Gebäude merkwürdig vorkäme.
    Der Gefesselte schrie wieder auf und stieß
Verwünschungen aus, diesmal auf Englisch.
    Häberle ließ den Strahl seiner Lampe in
den Saal fallen. Auf unzähligen, eng aneinander gerückten Tischen standen
Computerbildschirme, auf Regalen an den Wänden gestapelt und anscheinend
ungeordnet Messgeräte, miteinander vernetzte Schaltkästen und Geräte, die
Häberle nie zuvor gesehen hatte. An der Wand hing ein riesiges Satellitenbild,
auf dem das wolkenlose Europa abgebildet war. Von der Riviera quer über die
Alpen bis zum Nordkap war ein schmales gelbes Gitternetz aufgemalt, weiter
östlich wiederholte sich eine solche Skizze in roter Farbe.
    Während vom Flur her die wüsten Flüche des
Gefesselten durchs Gebäude hallten, gingen die vier Personen vorsichtig durch
die engen Gänge
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