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Troposphere

Troposphere

Titel: Troposphere
Autoren: Scarlett Thomas
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dass ich es nie mehr treiben werde. Oh, wann wird dieses Buch beendet sein! Jedes Mal, wenn ich meine Feder in dieses Tintenfässchen tauche (das sechste in diesem Monat), frage ich mich, ob dies das letzte Fass Tinte sein wird, das ich brauche, und ob dies die letzte Feder sein wird, die ich abnutze. Ich bin inzwischen vom Ende besessen: vom Ende dieses Romans und vom Ende meines Lebens. Kann ich jetzt zufrieden sein, dass ich einen Titel habe? Vielleicht. »The End of Mister Y« hat einen angenehmen Doppelsinn, obwohl ich davon überzeugt bin, dass die meisten Kritiker bei weitem zu stumpf sind, um etwas wie Sinn wahrzunehmen, und dass sie allenfalls auf die schreckliche Geschichte mit Darwin eingehen, wenn sie das Buch überhaupt besprechen.
    Oh, ich bin müde. Dieses Lampenöl riecht giftig.
    Vielleicht sollte ich das ganze Buch einfach ins Feuer werfen.
    Was denke ich da?
    Ich höre das grobe Klipp-Klopp der Hufe von draußen, während die jungen Männer sich in die Clubs zurückziehen, wo sie ein Abend voller Unterhaltung und Fotzenlecken erwartet. Mein Ziel ist dagegen ein höheres. Ach, es ist so kalt hier drinnen, und ich habe nur noch ein bisschen Kohle.
    Ich gebe zu, dass ich mich rächen wollte, als ich mit dieser langen und mühseligen Komposition begann. Ich wünschte mir, dass sich jeder Mensch in den Besitz des Wissens bringen könnte, welches man mir gegeben hatte. Denn ich bin Mr. Y – im Geist, wenn nicht in allen Einzelheiten –, und auch ich habe alles Geld für einen weiteren Schluck dieser Medizin ausgegeben, die seitdem meine anspruchsvollste Geliebte ist. Der Mann, der sie mir verkauft hat, wird in ihr keinen Gegenstand von Wert mehr haben, sobald mein Buch vollendet ist. Das jedenfalls werde ich meinem Verleger erzählen. Vielleicht gibt es auch dem Roman ein größeres Gewicht, obwohl allein ich die wirkliche Wahrheit wissen werde.
    Und ich werde dann auch meinem Leben ein Ende setzen, unmittelbar nachdem ich das Leben von Mr. Y beendet habe.
    Etwas zupft an meinem Gedächtnis, wie ein Kind, das an einem Ärmel zupft. Aber ich werde nicht daran denken.
    Und … Was sind das für Gedanken? Sind das Gewissensbisse? Soll ich mich jetzt ernsthaft, da ich mehr als sieben Achtel des Romans fertig gestellt habe, fragen, welche Folgen seine Veröffentlichung haben wird? Oh, verflucht seien diese grüblerischen Nächte. Aber nun, da ich die Erzählung auf den Blättern Form annehmen sehe, frage ich mich: Werden andere das Rezept ausprobieren? Und wie viele werden sterben, damit ich mein Ziel erreiche? Und … Nein! Das ist ein absurder Gedanke. Aber er hört gleichwohl nicht auf, mich zu behelligen. Was würde geschehen, wenn die, die mein Buch lesen, nicht nur die Troposphäre entdeckten, sondern auch eine Möglichkeit fänden, sie zu verändern?
    Ich werde das Buch verbrennen.
    Nein! Nein … nicht mein Buch.
    Meine Hände sind die eines anderen, als sie mein kostbarstes Manuskript packen und es durch mich, ihren unfreiwilligen Assistenten, ins Feuer werfen. Alle zweihundert Seiten knistern und lodern, kurz und heftig. Den Flammen ist egal, was Tinte ist und was weißer Zwischenraum. Das Buch ist verschwunden.
    Was habe ich getan?
    Was habe ich getan?
    Ich sinke auf die Knie und beginne zu weinen.
    Beenden.
     
    Als wir wieder in der Troposphäre sind, hat es zu regnen begonnen.
    »Ich wollte so viel mehr Zeit mit ihm verbringen«, sage ich zu Adam.
    »Nein. Schau dir das Wetter an. Du musst zum Bahnhof.«
    Der Nachthimmel sieht verschmiert aus, als wäre er eine Windschutzscheibe und die Nacht und der Regen spielten sich dahinter ab.
    Adam ruft die Konsole auf.
    »Es gibt einen Bahnhof gleich um die Ecke«, sagt er. »Beeil dich.«
    Aber ich rühre mich nicht vom Fleck. Ich folge ihm nicht, als er losgeht.
    »Adam«, sage ich.
    »Komm schon.«
    »Adam.«
    Er dreht sich zu mir um, und Wasser läuft ihm übers Gesicht. »Was ist?«
    »Ich gehe nicht zurück.«
    »Ariel …«
    »Es gibt nichts, womit du mich umstimmen kannst. Ich will nicht zurück.«
    »Aber du musst dein eigenes Leben führen. Du hast gehört, was Lura sagte – du hast das Potenzial zu einer Denkerin, die die Welt verändern kann. Du könntest der nächste Derrida sein, oder … alles, was du willst.«
    »Aber ich weiß, was ich will.«
    »Ich werde immer hier sein. Ich werde immer in deinen Träumen sein«, sagt er.
    Der Regen fällt auf den Bürgersteig wie Tränen auf einen Tisch.
    »Das ist nicht genug«, sage ich. »Das
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