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Triumph des Himmels: Historischer Roman (German Edition)

Triumph des Himmels: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Triumph des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Andrea Schacht
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aus Lehm, schmutzig weiß getüncht, mit offenen Fensterluken. Oben auf den flachen Dächern folgten ihnen die Blicke der verschleierten Frauen. Dann das leere Land, durch das sich die Straße wand, verdorrt das Gras, hier ein ausgebrannter Lastkraftwagen, dort verkohlte Wegweiser.
    »Wir müssen hier abbiegen«, sagte Doktor Trautmann, und so nahmen sie die gepflasterte Straße. Vom Feuer geschwärzte, zerschossene Bäume, aufgerissene Erde, Krater von Granaten und Bomben, wohin man schaute. Dann ein Posten, ein graues Zelt. Doktor Trautmann wies sich aus. Man winkte sie durch. Der Arzt verließ das Auto. Er selbst blieb sitzen, wartete. In der Ferne dröhnten die Geschütze, ein Verband Flugzeuge tauchte am Himmel auf.
    Ein Pferdegespann wurde von einem zerlumpten Mann herangeführt.
    Er sah, ungläubig zunächst, dann mit wachsendem Grauen auf die Last, die der Leiterwagen geladen hatte.
    Männer, blutend, zerrissenes Fleisch, abgetrennte Gliedmaßen.
    Sanitäter traten an den Wagen, hoben die Verwundeten auf Tragen.
    »Du, steig aus und hilf uns«, sagte einer.
    Er folgte ihm, und sein Magen verkrampfte sich. Jemand zog einen Leib von der Ladefläche, ein anderer nickte.
    »Lebt noch.«
    Als der Mann auf der Trage lag, sah er, dass ihm das halbe Gesicht fehlte.
    Und dann begannen die Schreie …
    Mac erwachte zitternd, die Hände um die Decke gekrallt, die Kiefer zusammengepresst. Das Atmen wollte nicht gelingen, zentnerschwer lag ihm ein Gewicht auf der Brust. Er keuchte.
    Die Räder unter ihm kreischten über eine Weiche.
    Langsam, ganz mühselig löste er seine verkrampften Muskeln. Gequält sog er die Luft ein, zwang sich dazu, weiter zu atmen.
    Als das einigermaßen wieder ging, setzte er sich auf und rieb sich das Gesicht. Über ihm im Bett schnarchte Hans leise.
    Lautlos erhob er sich, schob die Abteiltür auf und trat auf den Gang. Er brauchte Bewegung, Raum, Luft. Wie ein alter Mann schleppte er sich zum Waggonende, öffnete die Tür, überquerte den zugigen Bereich zum nächsten Wagen. D-Zug – Durchgangszug – nannten sie es, weil man ihn über die ganze Länge hinweg durchwandern konnte. Am Speisewagen, jetzt dunkel und leer, kehrte er um. Ein müder Schaffner fragte ihn, ob alles in Ordnung sei. Er antwortete, er sei auf der Suche nach der Toilette.
    Dort wusch er sich das Gesicht mit kaltem Wasser und starrte den Mann mit den eingefallenen Wangen im Spiegel an. Der Bartschatten lag über seinem Kinn, und seine Augen wirkten wie eingesunken.
    Panikträume.
    Sie kamen wieder und wieder.
    Den Rest der Nacht würde er wach bleiben.
    Langsam ging er durch den Gang zurück zu seinem Abteil.
    Und stieß auf eine weiße Gestalt, die auf einem der Klappsitze hockte und in die Nacht hinausstarrte. Kurze rote Locken reichten ihr bis zum Hals, das Batisthemd hatte nur dünne Träger, und unter dem feinen Stoff zeichnete sich eine wohlgeformte Figur ab.
    Das Wiedersehen mit der traurigen Schönen kam eher, als er gedacht hatte.
    Sie bemerkte ihn wohl, drehte sich erschrocken um und hielt die Hand an die Lippen. Dann ließ sie sie sinken und sagte: »Oh. Sie?«
    Im Pyjama mochte eine höfliche Verbeugung albern wirken. Er deutete nur ein Nicken an und wollte an ihr vorbeigehen.
    »Sie können auch nicht schlafen?«, murmelte sie und sah zu ihm hoch. Die Schminke um ihre Augen war verschwunden, und so sahen sie noch verletzlicher und trauriger aus. Er blieb stehen.
    »Es gibt bessere Nächte«, antwortete er leise.
    »Ja, die gibt es. Und die dritte Stunde weckt trübe Gedanken.«
    »Und ruhelose Geister.«
    »Doro, Doro Obeli.«
    »Alasdair MacAlan.«
    »Sie reisen alleine?«
    »Mit meinem Begleiter, Leibdiener, Beifahrer.«
    »Mich begleitet mein Bruder, Ruidi Obeli. Er saß mit dem Rücken zu Ihnen.«
    Konversation im Nachtzug in Nachtkleidung auf dem kühlen Gang – das Ungewöhnliche begann Mac zu reizen. Auch die schöne Doro – so appetitlich in ihrem dünnen Hemd, dessen Träger über ihre runde Schulter gerutscht war.
    »Hat Ihnen das Menü gemundet?«
    »Durchaus, aber Sie waren klüger. Zwei Gänge hätten gereicht.« Dann lächelte sie. »Aber der Rotwein schmeckte mir. Wohin geht Ihre Reise?«
    »Nach Köln und von dort nach Paris.«
    »So wie die unsere.« Sie erhob sich und schaute in die vorbeifliegende Nacht. »Wo mögen wir hier sein?«
    »Keine Ahnung. Wir werden darauf warten müssen, dass der Zug durch einen Bahnhof fährt, und versuchen, das Schild zu lesen. Ist es wichtig, wo wir uns
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