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Treuepunkte

Treuepunkte

Titel: Treuepunkte
Autoren: Susanne Fröhlich
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genannt. Wenn ich nur daran denke, könnte ich an die Decke gehen! Eingebildeter Affe. Was
glaubt der, wer er eigentlich ist? Der begehrteste Kerl in Hessen? Sollte ich ihn in diesem widersinnigen Vorurteil bestärken? Ich, die eifersüchtige Ziege? Nein, keinesfalls. Ich muss so tun, als wäre es mir total egal, wo er seine Nächte verbringt, auch wenn es in diesem Fall jetzt bedeutet, dass ich einfach Ruhe bewahren muss. Was der kann, kann ich schon lange.
     
    Es klingelt an der Tür. Wieder kein Christoph, sondern meine Nachbarin Anita. Anitas Reihenhaus hängt, wenn man davor steht, links an unserem dran. Ob sie auf einen Kaffee hereinkommen könne, fragt sie. Hoffentlich hat die heute Nacht nichts gehört. Ich sage, »Gerne«, weil bei meinem Kopf heute ein Kaffee nicht schaden kann und Anita sowieso äußerst schwer abzuwimmeln ist. Außerdem, solange Anita hier rumhängt, kann ich mich mit Sicherheit beherrschen, bei Christoph anzurufen. Der müsste doch mittlerweile in der Kanzlei sein. Hoffe ich wenigstens. Wären Anita und ich enger befreundet, könnte ich sie bitten, mal eben in der Kanzlei durchzuklingeln. Nur um zu fragen, ob er da ist. Aber wenn ich sie das frage, muss ich einiges erklären und das geht keinesfalls. In einer Siedlung ein solches Geständnis abzulegen, hätte was von gesellschaftlichem Selbstmord. So was geht rum wie nichts. Vor allem, wenn man Anita sein Herz ausschüttet. Das wiederum weiß ich von Tamara, die im Reihenhaus gegenüber wohnt und die selber auch sehr gerne Neuigkeiten in Umlauf bringt. Natürlich immer unter dem Siegel der Verschwiegenheit. Aber Tamara meint, Anita wäre so was wie ein Klatsch-Multiplikator.
    Und tatsächlich. Anita hält sich, während ich einen Kaffee
mache, nicht mit langen Vorreden auf: »Hör mal, Andrea«, beginnt sie ihr kleines Verhör, »kann das sein, dass ich heute Nacht Christoph gehört habe? So gegen zwei. Mit quietschenden Reifen ist der weg. Ich war gerade im Bad, wegen meiner Blase, die lässt mir ja neuerdings auch nachts keinerlei Ruhe mehr, wahrscheinlich weil mein Beckenboden schwächelt, also das meint jedenfalls mein Gynäkologe, man muss da so Übungen machen, damit der sich wieder anhebt«, quasselt sie auf mich ein und gibt mir so wertvolle Sekunden zum Überlegen. »Ja, der Christoph, der musste heute Nacht dringend nochmal weg.« Ich mache eine kleine dramatische Pause. Luft holen, nachdenken. »Was war denn los?«, bleibt sie am Thema dran. »Seiner Mutter ging’s nicht gut. Er ist in die Notaufnahme gefahren, irgendwas mit dem Bein.« Das war jetzt nicht völlig gelogen. Gut, zeitlich stimmt es nicht ganz, er war vor seiner nächtlichen Abreise in der Notaufnahme und bisher hat seine Mutter jedenfalls noch keinerlei Beinprobleme, aber im Groben könnte man sagen, der Satz hat wahre Elemente. Krankenhaus, Notaufnahme und Bein waren auf jeden Fall nicht geschwindelt. Natürlich ist klar, dass sich Anita mit einer solchen Auskunft nicht bescheiden kann. »Ach, die arme Frau, war es eine Thrombose oder was?«, fragt Anita nach. »Genau«, sage ich und um weiteren Nachfragen vorzubeugen und weil mir so schnell sowieso nichts Besseres einfällt, »es geht ihr schon wieder viel besser. Sie konnte dann wieder heim. Zum Glück. Die arme Inge.«
    Das war vorschnell, denn Anita ist fassungslos, »Mit Thrombose lassen die die nach Hause? Also meine Cousine hatte mal eine ganz schlimme Thrombose, die Regina,
die Tochter von meiner Tante, der Klara, die hast du mal kennen gelernt, nicht die Regina, sondern die Klara, an Friedhelms vierzigstem Geburtstag war die hier, und die wäre fast gestorben, wegen der Thrombose, ich will dich nicht verrückt machen, aber das erscheint mir doch sehr nachlässig von diesen Krankenhausleuten, dass die deine Schwiegermutter so mir nichts dir nichts einfach entlassen.« Sie macht eine bedeutungsvolle Pause.
    »Lebt deine Cousine, diese Klara, noch?«, versuche ich, thematisch neue Gebiete zu erschließen. Ablenkung ist alles. »Meine Tante ist die Klara, meine Cousine heißt Regina, das ist die, die als Kind so schlimme Neurodermitis hatte und, na klar, der geht es bestens, die ist ja auch privat versichert«, nickt Anita, als wäre das eine völlig unsinnige Frage. Eben noch fast gestorben, jetzt selbstverständlich quicklebendig. Durch die Privatversicherung. Anitas Logik ist bestechend und ihre Verwandtschaft ist wahrscheinlich ähnlich zäh wie Anita selbst. »Hat dein Mann da nicht ordentlich Druck
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