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Traveblut

Traveblut

Titel: Traveblut
Autoren: Jobst Schlennstedt
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liebsten verkauft hätte, aber alles in allem hatte er sich hier immer wohlgefühlt.
    Ole war vor zwei Jahren ebenfalls ausgezogen und hatte eine eigene kleine Wohnung am Rand der Altstadt angemietet. Gerade als Andresen angefangen hatte, sich allein in seinem Haus wohlzufühlen, war Wiebke in sein Leben getreten. Obwohl er Ruhe und Einsamkeit zu schätzen wusste, war er gleichzeitig auch ein Mensch, der jemanden an seiner Seite brauchte. Wiebke war sofort präsent gewesen, war schon nach wenigen Wochen bei ihm eingezogen und hatte schließlich noch ihre Tochter aus einer vorherigen Beziehung mitgebracht. Vor zwei Jahren hatten sie dann gemeinsam Nachwuchs bekommen. Die kleine Marlene hielt ihr Leben ganz schön auf Trab.
    Andresen seufzte, als er die Haustür aufschloss. Noch drei Wochen, dann hieß es Abschied nehmen von seinem einstmaligen Traum. Er ging in die Küche und stellte zwei Pfannen auf den Gasherd. Anschließend schnappte er sich einen Sack Kartoffeln, ein Messer sowie eine Zeitung und ging die Treppe hinauf ins Wohnzimmer. Er schaltete den Fernseher ein und ließ sich auf die Couch fallen. Aus dem Augenwinkel sah er, dass der Anrufbeantworter blinkte; er stand auf und hörte die Nachricht ab. Es war Wiebkes Stimme, die mit einem Mal durch den Raum klang. Sie würde mit den Kindern noch ein paar Tage länger bei ihrer Mutter in Kiel bleiben.
    Ihre Stimme klang beruhigend und angenehm. Sie hatte ihm einen schönen Arbeitstag gewünscht und ein »Ich liebe dich« mit auf den Weg gegeben. Das mit dem angenehmen Arbeitstag war schon mal nichts geworden. Vielleicht sollte er sie anrufen und ihr sagen, dass er sie auch liebte.
    Andresen zögerte. Er telefonierte nicht gern privat. Wenn er nicht sah, wie sein Gegenüber reagierte, welchen Gesichtsausdruck es zeigte, dann fühlte er sich unsicher. Wahrscheinlich eine berufsbedingte Macke. Außerdem wollte er heute Abend endlich mal wieder ins Buthmanns gehen. Das war mehr als notwendig nach diesem Tag.
    Nachdem er Spiegeleier und Bratkartoffeln gegessen hatte, verließ er das Haus um kurz nach neun. Bevor er das Buthmanns ansteuerte, schlug er einen kleinen Umweg ein. Er ging die Große Gröpelgrube hinab in Richtung Wasser. Als er die Kanalstraße überquerte, klingelte sein Handy. Er zog es aus der Hosentasche und blickte aufs Display. Es war Wiebke. Im nächsten Moment kam ein Auto hupend angefahren. Andresen erschrak und lief hastig auf die andere Straßenseite. Das Handy hatte aufgehört zu klingeln. Einen Augenblick lang zögerte er. Vielleicht sollte er kurz zurückrufen. Bescheid geben, dass alles in Ordnung war. Er entschied sich dagegen und ließ das Telefon wieder in der Hosentasche verschwinden.
    In der Nähe des Parkdecks, gleich neben dem Recyclinghof, suchte er sich einen Weg, der direkt ans Wasser führte. Unweit von hier hatte heute Morgen ein Jogger Katharina Kock gefunden. Er sah sich auf der Suche nach Absperrbändern um, konnte aber nirgends welche entdecken. Er stand jetzt direkt an der Wasserkante. Links die Hubbrücke. Zu seiner Rechten konnte er in der Dunkelheit kaum etwas ausmachen. Plötzlich tauchte der Mond hinter den Wolken auf und warf ein wenig Licht auf den Kanal. Im Wasser spiegelte sich sein schwarzer Schatten. Leicht verzerrt, aber dennoch deutlich sichtbar.
    Andresen konnte erkennen, dass das Wasser des Kanals in Richtung Trave, also in Richtung der Hubbrücke floss. Demnach kam die Strömung von rechts. Soweit er informiert war, hatte man in der Umgebung der Fundorte an Land keine Spuren gefunden. Das bedeutete, dass die Frauen möglicherweise viel weiter kanalaufwärts ertränkt worden waren. Sie mussten dringend die Ufergebiete nach Spuren absuchen. Er nahm sich vor, mit den Kollegen der Wasserschutzpolizei zu sprechen.
    Andresen blieb noch einen Moment stehen und blickte in den nächtlichen Himmel. Dann wandte er sich um und ging zurück in Richtung Altstadt. Die Augen, die ihn dabei beobachteten, bemerkte er nicht.
    Im Buthmanns war um diese Uhrzeit noch nicht allzu viel los, sodass er seinen Platz frei wählen konnte. Er nahm sich eine Tageszeitung und setzte sich an einen Zweiertisch. Als die Bedienung kam, bestellte er ein großes Bier und einen Aquavit.
    Es war ein ruhiger Abend in der urigen Kneipe. Gegen Viertel vor elf setzten sich zwei Männer an den Tisch neben ihm. Er kannte die beiden flüchtig und nickte ihnen zu.
    »Jedes Mal, wenn ich abends noch ein Bier trinken gehen will, flippt meine Alte aus«, sagte
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