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Traumzeit

Traumzeit

Titel: Traumzeit
Autoren: Barbara Wood
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Traumpfad.«
    »Ezekial, das ist ja wunderbar! Wir müssen es sofort Hugh sagen!«
    Aber er bedeutete ihr mit einer Geste, sitzenzubleiben. »Ich gehe nicht mit. Ihr werdet sie jetzt auch ohne mich finden.«
    »Was bedeutet das, Ezekial?«
    »Ich heiße Geerydjine«, erwiderte er. »Die Weißen haben mir vor langer Zeit meinen Namen genommen. Sie nennen mich Ezekial. Aber ich bin Geerydjine. Heute sind wir am Träumen des Emu-Ahnen vorbeigekommen. Ich werde dorthin zurückkehren, und dort will ich bleiben. Ich gehe zurück zu meinen Ahnen.« Er schwieg, und Sarah sah, wie seine Augen leuchteten. Er erhob sich, sie stand ebenfalls auf. Sie verneigte sich vor ihm, er umarmte sie. Sarah spürte seinen rauhen Bart an ihrem Gesicht. Erstaunt spürte sie seine zerbrechlichen Knochen und den schmächtigen Körper. Sie hatte Ezekial immer für stark und kräftig gehalten. Aber jetzt war er ein alter Mann, der seine Aufgabe im Leben erfüllt hatte.
    Sarah sah ihm nach, als er langsam davonging und schließlich in der Nacht verschwand. Sie versuchte nicht, ihn aufzuhalten. Sie wußte, er handelte, wie es bei den Aborigines Sitte war. Er starb allein, in Würde, und nur er wußte, wann seine Zeit gekommen war.
    Sie betrachtete den Ohrring, den er ihr gegeben hatte und dachte an den Traumpfad, den Joanna erschuf. Sie hörte die Worte des alten Ezekial in sich: »Wir beide sind Aborigines«, und sie lösten in ihr ein gewaltiges Echo aus.
    Plötzlich sah Sarah ihren Weg so klar und deutlich vor sich, als führe er, vom Mond beschienen, durch die Wüste. Er führte sie durch das Land der Aborigines, durch das Land der Weißen und geradewegs zu Philip. Am Ziel angekommen sah Sarah, wie sie in die Arme des Mannes lief, den sie liebte. Sie küßte ihn, denn es gab nichts, dessen sie sich schämen mußten. Sie brachen keine Gesetze, denn sie war eine Aborigine. Geerydjine hatte sie daran erinnert, hatte ihr die Identität wiedergegeben. Und es war für Sarah wie ein befreiendes Geschenk, denn die Gesetze ihres Volks gaben ihr das Recht, einen Mann zu ihrem Ehemann zu erklären, und er konnte mehr als eine Frau haben.
    Jetzt wollte sie die Suche nach Joanna und Lisa so schnell wie möglich wieder aufnehmen, damit sie bald nach Merinda zurückkehren konnten. Sarah verharrte noch eine Weile in dankbarem Schweigen und verabschiedete sich stumm von Geerydjine. Dann eilte sie zurück zum Lager. Sie wollte Hugh wecken und ihm sagen, daß sie Joanna finden würden.
    2
    Joanna trat aus dem Sonnenlicht in die Dunkelheit der Höhle. Sie blieb stehen und vergewisserte sich noch einmal, daß der Lederbeutel sicher an ihrem Rockgürtel hing. Dann hob sie die Fackel. Um sie herum summte der Berg. Sie spürte seine Kraft. Joanna hatte fast den Eindruck, sich einem lebenden Wesen anzuvertrauen. Vom Eingang der Höhle führte ein ausgetretener Pfad in die tiefe Dunkelheit. Vermutlich hatten die Füße zahlloser Generationen von Müttern mit ihren Töchtern den roten Stein geglättet. Als das Tageslicht allmählich hinter ihr zurückblieb, überließ sich Joanna ganz dem mächtigen, pulsierenden Berg. Was würde sie am Ende des Pfads erwarten?
    Lisa wartete besorgt am Eingang der Höhle und lauschte auf die verhallenden Schritte ihrer Mutter. Sie blickte auf die zahllosen Aborigines unten in der Ebene, roch den Rauch der vielen Lagerfeuer und hörte das Singen und Trommeln. Als die Schritte ihrer Mutter nicht mehr zu hören waren, stellte Lisa fest, daß sie Angst bekam. Sie war nun allein unter vielen hundert Aborigines. Sie stand auf und ging unruhig auf und ab. Sie blickte zur Sonne hinauf, die langsam den Zenit erreichte, und fragte sich, wie lange ihre Mutter wohl im Berg bleiben werde.
    Ihre Unruhe wuchs. An einem der Lagerfeuer tanzten die Männer die Geschichte einer Känguruh-Jagd. Sie hatten ihre nackten Leiber bemalt. Sie trugen Speere und Bumerangs, stießen durchdringende Schreie aus und verzerrten die Gesichter zu erschreckenden Grimassen. Die Männer sahen wild, gefährlich und grausam aus.
    Lisa blickte auf den Eingang der Höhle. Das Sonnenlicht fiel auf den Pfad, der in die Dunkelheit führte. Sie warf noch einmal einen Blick auf die lärmenden Menschen hinunter, und ohne weiter zu überlegen lief sie in die Höhle und in den Berg.
    *
    Joanna verlor jedes Zeitgefühl, während sie dem dunklen, gewundenen Pfad folgte. Die Flamme der Fackel warf gespenstisch tanzende Schatten an die Wände. Sie bemerkte verschiedenfarbige
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