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Trattoria Finale

Trattoria Finale

Titel: Trattoria Finale
Autoren: Patrick P. Panahandeh
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könnt ihr euch auch so ein bisschen Sentimentalität leisten. Nun also die Geschichte von der Tajine Parisienne. Ettore, fang du an.«
    Ettore nickte zustimmend und begann zu erzählen: »Es waren wilde Tage im Paris des Jahres 1943. Ich lebte meine ganz eigene Version von der Banalität des Bösen. Gerade einmal zwanzig Jahre alt, hatte ich keine Ahnung von Politik, das Weltgeschehen interessierte mich gerade einmal so viel, wie es mich ernährte. Das Töten für Geld hatte ich in meiner Heimat auf Sizilien gelernt, die Violenzas sind eine traditionsreiche Familie – Herrgott, Zippo, hör doch mal auf, mit deinem Feuerzeug zu spielen! Oder mach’s unter dem Tisch wie Aglaia. Was soll nur werden, wenn Mario der älteste Violenza ist! Nun ja, jedenfalls nutzte ich den Krieg auf meine Weise. Es gab wenig gut bezahlte Aufträge in der Heimat, dafür bedurften die Geheimdienste der rivalisierenden Mächte Europas umso mehr meiner Dienste. Natürlich arbeitete ich zuerst für Italien, dann bald für die Deutschen. Duce, Führer, war mir alles gleich. Hin und wieder auch für die Gegenseite, wenn’s passte. Franzosen, Amerikaner, Engländer. Bei den Franzosen wusste man natürlich dreiundvierzig nie auf Anhieb, auf wessen Seite jemand stand. Kollaborateure, Kriegsgewinnler, Faschisten, Nationalisten, Résistance – meine Güte, hat mich das zuerst verwirrt! Aber es war spannend. Und einträglich …«

    Als der junge Sizilianer die Tür zu dem kleinen Hinterzimmer des Pariser Restaurants
Le Doute
öffnete, sah er zunächst die vier am Tisch sitzenden Männer durch den Zigarettenrauch kaum.
    »Bonsoir, Signore Violenza«, wurde er von Jacques Doriot, dem einzigen ihm bekannten Kerl am Tisch, begrüßt. Mit seiner kreisrunden, dünnrandigen Brille und der Sturmfrisur kam er Ettore wie ein gestrandeter Intellektueller vor. Aber was bedeutete dies schon? Doriot stellte die anderen kurz vor. Da war Olivier Mordrel, der vielleicht einzige wirkliche Intellektuelle, der sich allerdings sofort verabschiedete und den Raum verließ. Dann schüttelte er die Hand eines Maurice Papon, der freundlich lächelnd, glattgesichtig und wohl frisiert wie ein etwas in die Jahre gekommener Schauspieler wirkte, Marke jugendlicher Liebhaber. Zum Schluss stellte sich ein schon etwas ältlich wirkendes Arschlochgesicht mit dem Namen Philippe Henriot vor. Ettore nahm zur Kenntnis, dass es sich bei diesen Kerlen allesamt um Politiker oder hohe Verwaltungsmenschen der Vichy-Administration handelte. Der Sizilianer hatte keine Ahnung von Politik und Administration, er speicherte diese Männer als von Hitlers Gnaden herrschende französische Kollaborateure ab, was für seine Zwecke völlig ausreichte und im Übrigen auch zutraf.
    Henriot warf einen skeptischen Blick auf das tiefschwarze, gegen jede aktuelle Mode zu einem langen Pferdeschwanz gebundene Haar des Gastes und strich sich dann über seinen sehr kurz getrimmten Oberlippenbart. »Sie sind also Ettore Violenza«, stellte er fest, ganz im Habitus eines Mannes, der immer irgendetwas festzustellen hat. Ettore nickte stumm. Henriot sprach weiter: »Sie wurden bereits eingehend über die anstehende Mission instruiert?«
    Ettore antwortete: »Grob. Es geht um einen Industriellen, den Sie verdächtigen, Mitglied der Widerstandsbewegung zu sein, der aber eigentlich Ihr Mann sein sollte und das auch vorgibt. Er soll sterben, ohne dass Sie oder sonst jemand aus dem deutschfreundlichen Lager damit in Verbindung gebracht werden kann. Trifft es das?«
    »Korrekt«, bestätigte Papon. »Sagen Sie, woher ist Ihnen unsere Sprache so geläufig?«
    Ettore dachte an seine Mama, die eine der schärfsten Huren Amsterdams gewesen und seinem Vater nach Sizilien gefolgt war und die sich die Zeit damit vertrieben hatte, ihrem Sohn alle Zungenschläge beizubringen, derer sie selbst mächtig war.
    »Meine Mutter ist eine sehr gebildete Frau, die einige Sprachen spricht und mich darin unterrichtet hat«, antwortete er.
    Die drei Männer sahen sich einen Moment lang gegenseitig an. Schließlich nickte Henriot, und Doriot sagte: »Bon«. Er putzte seine Brille, zog die Krawatte glatt und griff in die Innentasche seines grauen Jacketts. Er zog einen Umschlag hervor und überreichte ihn Ettore. »Hierin finden Sie alle Einzelheiten Ihres Auftrages sowie die Hälfte des verabredeten Honorars. In amerikanischen Dollars, wie gewünscht. Monsieur Paul Beauregard wird in drei Tagen nicht mehr unter den Lebenden weilen, und Sie
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