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Transzendenz

Transzendenz

Titel: Transzendenz
Autoren: authors_sort
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Kultur zerfiele, wenn das technologische Substrat, von dem sie abhängig sei, sich auflöse.
    Man sollte meinen, ein solcher Appell würde uns erschrecken. Im Allgemeinen herrschte immer die Auffassung vor, dass die Menschen ihre Zukunft mit niemand anderem teilen. Für die Zukunft, die ich durch meinen Kontakt zu Alia gesehen habe, scheint das sogar zuzutreffen. Aber den Blitzumfragen zufolge war die Reaktion auf Geas Appell warm und wohlwollend. Wir leben in einer Zeit, in der wir uns der Vergangenheit bewusst sind und uns ihretwegen schuldig fühlen. Gea hat unsere Massenpsychologie genau richtig eingeschätzt.
    Der »Kühlschrank« gewann die Unterstützung der Patronats-Organisationen und durchlief rasant die letzten Stufen seiner technischen Validierung. Mittlerweile hat der umfassende Praxiseinsatz begonnen. Unsere Pilotanlage vor Prudhoe Bay ist die Keimzelle des nach wie vor größten Feldes, aber überall in der kanadischen Arktis und in Sibirien haben andere Basen die Arbeit aufgenommen. Nächstes Jahr kommt die Antarktis hinzu. Natürlich ist es teuer. Aber die Kosten für den Verzicht auf die Stabilisierung all dieser Schichten voller Treibhauscocktails wären noch weitaus höher gewesen: schlimmstensfalls unendlich hoch.
    Das ist nicht das Einzige, was EI macht. Shelley Magwood arbeitet an metamodellbasierten Konzeptstudien für eine ganze Reihe ehrgeiziger neuer Geotech-Projekte.
    Eines davon finde ich besonders interessant: Es ist eine direkte Kampfansage an das trübselige moderne Paradigma des Meeresspiegelanstiegs und der Überschwemmungen. Als am Ende der Eiszeit die großen Eisflächen schmolzen, wurden breite Landstriche überschwemmt. Dazu gehörten »Doggerland«, das jetzt unter der Nordsee liegt, »Beringia«, eine Landbrücke zwischen Alaska und Asien, und »Sundaland« zwischen Australien und Südostasien, einst der größte tropische Regenwaldgürtel der Welt. Jetzt liegen überzeugende Vorschläge auf dem Tisch, das Meer zurückzudrängen, um einen Teil dieser riesigen verlorenen Gebiete wieder zu erobern. Es erscheint ungeheuerlich, aber die Geografie des Meeresbodens wird es an manchen Stellen erlauben. Die neuen Landflächen sollen für Flüchtlinge geöffnet und landwirtschaftlich oder als Waldland genutzt werden, um der Luft auf diese Weise einen Teil unseres überschüssigen Kohlenstoffs zu entziehen. Shelley ist mit all dem im siebten Himmel. Sie wird sogar ein Medienstar. Eine Ingenieurin als moderne Heldin: Wer hätte das gedacht?
    Hochrangige Patronats-Vertreter sprechen bereits von einem neuen Verwaltungsmodell für diese neuen Provinzen. Vor Ort soll es umfassende demokratische Strukturen geben, mit gestaffelten Verantwortlichkeiten und Rechenschaftspflichten bis hinauf zur planetaren Ebene, aber in Doggerland sollen keine neuen »Staaten« gegründet werden. Wir haben nicht immer in Nationalstaaten gelebt, und es sind nicht immer sehr konstruktive Gebilde, mit denen wir unsere Welt teilen sollten. Wenn die neuen Territorien zu Modellen einer anderen Regierungsform werden, welken die alten Staatsgebilde vielleicht irgendwann dahin.
    Natürlich liegen noch immer Risiken vor uns, schwierige Zeiten. Das Hydratproblem haben wir vielleicht gelöst, aber es gibt noch jede Menge zu tun. Wir müssen diesen verdammten Flaschenhals einfach Schritt für Schritt überwinden. Doch allmählich glauben wir, dass wir Großes erreichen können.
    Und nach dem Flaschenhals… wer weiß? Ich fange an zu glauben, was Alia mir erzählt hat, dass die Menschen der Zukunft wirklich voller Bewunderung auf unsere Zeit zurückschauen werden, eine Zeit, die sie gern miterlebt hätten.
     
    John hat ein Haus ganz in der Nähe. Aber er ist oft in New York, Washington oder Genf, wo er seine eigenen Projekte verfolgt. Auf seine legalistische Weise ist auch er ein Held. Und er schreibt endlich das Buch über sein neues ökonomisches Paradigma auf ethischer Basis, seine neue Art von Geld. Ich bekomme seine Glückskinder nur selten zu Gesicht, was ich aber nicht gerade als großen Verlust empfinde.
    Tom und Sonia arbeiten wieder bei Hilfsprojekten in Sibirien. Jetzt, wo das Kühlschrank-Projekt in die Praxis umgesetzt wird, gibt es eine Menge zu tun. Sonia ist aus dem Militärdienst ausgeschieden, um mit Tom zusammen zu sein. Ich halte ihnen in meiner Wohnung ein Zimmer frei. Sie lagern dort einige ihrer Sachen, sodass die beiden einen permanenten Platz in meinem Leben haben. Ich sehe allerdings nicht so viel
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