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Transfer

Transfer

Titel: Transfer
Autoren: Stanislaw Lem
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wiederholen.«
    »Einen besseren Raster bekommen Sie vom Merid«, mischte sich da die Frau ein. Alle Augen ihres Kleides schienen mich mit mißtrauischem Staunen zu betrachten. »Raster?« wiederholte ich ratlos.
    »Ja, dort«, sie zeigte auf eine durch den heranschwimmenden grünen Kreis sichtbare leere Anhöhe mit schwarz-silbrigen, gestreiften Seiten, wie der Rumpf eines etwas komisch angemalten, auf der Seite liegenden Schiffs. Ich dankte und ging vom Gehsteig weg, wohl an der falschen Stelle, da mir die Geschwindigkeit fast die Beine lähmte. Ich fing mich wieder, erlangte das Gleichgewicht, drehte mich dabei aber derart, daß ich nicht wußte, nach welcher Seite ich jetzt gehen sollte. Ich überlegte, was da zu tun wäre. Inzwischen hatte sich der Ort meines Umsteigens ziemlich weit von der schwarz-silbrigen Anhöhe entfernt, die mir die Frau gezeigt hatte, ich konnte sie nicht mehr finden. Da die Mehrheit der neben mir Stehenden auf eine schiefe Ebene hinüberging, die nach oben führte, tat ich dasselbe. Bereits hier sah ich eine riesige, reglos in der Luft brennende Inschrift DUKT CENTR - die weiteren Buchstaben entgingen’dem Auge, sie waren zu riesenhaft.
    Lautlos wurde ich auf einen kilometerlangen Bahnhof hinaufgetragen, von dem soeben ein spindelförmiges Schiff abfuhr, das beim Steigen seinen lichtdurchlöcherten Boden zeigte. Vielleicht war diese walartige Gestalt auch ein Bahnsteig, und ich befand mich auf dem »Rastet«. Ringsum war Leere, so daß ich nicht einmal jemanden fragen konnte. Ich befand mich auf dem verkehr-
    ten Weg. Ein Teil meines »Bahnsteigs« bestand aus flachgedrückten Räumen ohne Vorderwände. Näher kommend sah ich eine Art von schwach beleuchteten, niedrigen Boxen, in denen reihenweise schwarze Maschinen parkten. Ich hielt sie für Autos. Aber als die zwei, die mir am nächsten waren, sich herausschoben und - ehe ich Zeit hatte zurückzutreten - vorbeifuhren, indem sie sofort eine große Schnelligkeit entwickelten, sah ich - ehe sie in der Perspektive parabolischer Queren verschwanden -, daß sie keinerlei Räder, Fenster oder Türen hatten, aerodynamisch wie riesige, schwarze Tropfen. >Autos oder nicht<, dachte ich, >jeden-falls ist es wohl ein Parkplatz?< Vielleicht der »Rastet«? Ich meinte, das Beste wäre zu warten, bis jemand käme, dann könnte ich mit ihm fahren, oder zumindest würde er mir etwas sagen.
    Mein Bahnsteig, leicht angehoben wie der Flügel eines unmöglichen Flugzeugs, blieb aber leer. Nur die schwarzen Maschinen entglitten einzeln oder zu mehreren ihren Metallunterschlüpfen und entfernten sich immer in derselben Richtung. Ich ging bis an den Bahnsteigrand, bis sich wieder die unsichtbare elastische Kraft meldete, die Sicherheit verhieß. Der Bahnsteig hing wirklich in der Luft, durch nichts gestützt. Als ich den Kopf hob, sah ich andere, die ihm ähnlich waren, reglos im Raum schweben, mit gelöschten Lichtern; an anderen wieder, wo die Schiffe ankamen, brannten die Lichter. Es waren keine Raketen, nicht einmal Geschosse wie das erste, das mich von der Luna brachte.
    Ich stand solange, bis ich auf dem Hintergrund irgendwelcher Hallen - übrigens wußte ich nicht, ob sie eine Widerspiegelung dieser hier oder Realität waren - feurige rhythmisch durch die Luft segelnde Buchstaben sah: SOAMO SOAMO SOAMO -Pause, ein blaues Leuchten und dann NEONAX NEONAX NEONAX. Vielleicht Namen von Stationen, vielleicht Reklame von Produkten. Sie sagten mir gar nichts.
    Höchste Zeit, diesen Mann aufzufinden, dachte ich, drehte mich um, fand einen in der umgekehrten Richtung fließenden Gehsteig und fuhr auf ihm herunter. Es erwies sich, daß es nicht dieselbe Ebene und nicht einmal die Halle war, von der ich nach oben gelangte: ich erkannte es am Fehlen der großen Säulen. Vielleicht aber waren die Säulen irgendwohin verzogen; möglich schien mir alles.
    Ich befand mich in einem ganzen Wald von Springbrunnen; weiter fand ich einen weißen und rosa Saal, voller Frauen. Im
    Vorbeigehen schob ich wie von ungefähr meine Hand in den Strom des beleuchteten Springbrunnens, vielleicht weil es angenehm war, irgend etwas auch bloß ein bißchen Bekanntes anzutreffen. Ich spürte aber nichts dabei; denn dieser Springbrunnen hatte kein Wasser. Nach einer Weile schien mir, daß ich Blumenduft spürte- Ich legte meine Hand an die Nase. Die Hand roch wie tausend Toilettenseifen. Unwillkürlich trocknete ich sie an meiner Hose. Ich stand bereits vor dem Saal, der voller Frauen,
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