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Traenen des Kummers, Traenen des Gluecks

Traenen des Kummers, Traenen des Gluecks

Titel: Traenen des Kummers, Traenen des Gluecks
Autoren: Carol Voss
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nachdenken, was er angestellt hat.“
    David hatte Erfahrung mit Teenagern, auch wenn er nie eigene Kinder gehabt hatte. Dennoch – er wusste nicht, wie sehr Justin seinen Vater vermisste oder wie verschlossen er geworden war. Er hatte Justin nicht weinend nach einem seiner unzähligen Albträume in den Armen gehalten oder war aufgewacht, weil er ihn nachts in seinem Bett schluchzen gehört hatte.
    Nan hatte nie Fragen gestellt, sondern ihn nur in ihren Armen gehalten. Warum sollte sie Justin auch nach seinen Albträumen fragen? Sie wusste doch, was er träumte: dasselbe wie sie.
    Sie hatte sich große Mühe gegeben, Mutter und Vater zugleich für ihren kleinen Jungen zu sein, aber sie hatte auch Fehler gemacht. Zu viele Fehler. „Ich hätte nach dem Tod von Corry nicht mit den Kindern aus der Stadt wegziehen dürfen.
    Justin ist hier nie richtig heimisch geworden. Er hatte Probleme in der Schule, Probleme, neue Freunde zu finden. Aber er hat noch nie zuvor etwas Kriminelles getan.“
    „Du darfst dir keine Schuld geben, Nan. Wenn du in Madison geblieben wärst, wäre vielleicht alles noch schlimmer geworden.“
    Vielleicht hatte David Recht, aber das war im Moment auch kein richtiger Trost für sie. Sie zitterte immer noch, als ob sie sich eine Grippe zugezogen hätte. Sie musste sich unbedingt wieder in den Griff bekommen, damit sie mit dieser Situation umgehen konnte.
    „Hey, klapp mir jetzt nur nicht zusammen. Du musst dich hinsetzen. Du bist ja kreideweiß im Gesicht.“ Er trat näher und legte seinen Arm um ihre Taille, um sie zu stützen.
    Sie spürte die Wärme seines muskulösen Körpers und fühlte sich auf einmal sehr verletzlich.
    „Komm“, stieß er schroff hervor, nahm sie auf die Arme, trug sie zur Couch hinüber und setzte sie sanft auf die Polster. „Und jetzt beuge dich vor, und lege den Kopf auf die Knie.“
    „Mir geht es schon wieder besser“, protestierte sie.
    „Lege deinen Kopf auf die Knie“, befahl er, griff mit der Hand in ihre Locken und drückte ihr den Kopf hinunter.
    Seine Berührung durchfuhr sie wie ein elektrischer Stromstoß und setzte ein seltsames Gefühl in ihr frei, aber sie beugte sich gehorsam vor und legte die Stirn auf die Knie.
    „Bleib so, ich werde dir ein Glas Wasser holen.“
    Gegen ihren Willen traten ihr Tränen in die Augen. Was für ein Theater! Sie holte tief Luft und versuchte, nicht daran zu denken, wie lächerlich sie jetzt aussehen musste. Sie blieb in dieser Position, bis sie David zurück in den Raum kommen hörte. Dann richtete sie sich auf, fuhr mit den Händen durch das Haar und presste ihre kühlen Hände gegen ihre heißen Wangen.
    Er hielt ihr ein Glas Wasser hin. „Geht es wieder besser?“
    Sie hatte vergessen, wie warm und liebevoll Davids Blick sein konnte. Besorgnis und Mitgefühl lagen in seinen Augen. Sie nickte und nahm ihm das Glas ab.
    „Bitte, nimm doch Platz, David.“ Sie wies auf den Fernsehsessel, der neben der Couch stand. Corrys Sessel.
    David setzte sich, und auf einmal schien er den Raum mit seiner Präsenz auszufüllen. Es sollte sie eigentlich nicht überraschen. Sie lebte jetzt seit zwei Jahren mit den Kindern hier, und in dieser Zeit hatte nicht ein einziger Mann in ihrem Wohnzimmer gesessen. Und auch dieser Mann wirkte eher so, als ob er jetzt gern überall wäre, nur nicht hier.
    David wirkte angespannt und strahlte eine Unruhe aus, als ob er sich zum Stillsitzen zwingen müsste. Nan konnte sich gut daran erinnern, dass David sich schon immer wohler gefühlt hatte, wenn er in Bewegung war, beim Wasserski fahren zum Beispiel oder Schwimmen, als irgendwo zu Hause oder bei einer Einladung herumzusitzen. Sie hätte ihm gern irgendwas gesagt, damit er sich wohler fühlte, aber es ging ihr selbst viel zu schlecht, um ihm helfen zu können.
    Da sie nicht wusste, was sie sonst tun sollte, trank sie einen Schluck von dem kühlen Wasser.
    Plötzlich raste ein schwarzes Etwas aus der Küche ins Wohnzimmer und direkt auf Davids Schoß. Seine Augen weiteten sich vor Überraschung. Er erholte sich aber rasch von seinem Schreck, als er die Katze erkannte. „Hallo, Sheba.“
    Nan lächelte, erleichtert über die Abwechslung. „Sheba kennt dich offensichtlich noch. Vor Fremden versteckt sie sich sonst immer.“
    David vermied es, Nan anzuschauen, und streichelte die Katze. Sheba dankte ihm mit einem hingebungsvollen Schnurren.
    Auf einmal wirkte David viel älter und trauriger. Er schien sich noch unbehaglicher zu fühlen als
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