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Totenwache

Totenwache

Titel: Totenwache
Autoren: Anna Jansson
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um sich zu erinnern. Mehrere Schichten von Puder bedeckten die blauen Flecke am Hals, wodurch die Falten noch deutlicher sichtbar wurden. Der Tisch war mit Kristallgläsern gedeckt. Eins davon hatte einen Sprung. Die Zeit hatte ihre Spuren hinterlassen.
    Als die Dämmerung sich ankündigte, steckte sie die Kerzen im Kandelaber an, auch das zur Erinnerung an ihn. Mit den Händen strich sie über ihre Brüste und die Hüften, versuchte durch ihre Hände die seinen auf ihrem Körper zu spüren. Wenn eine Frau einem Mann einen Zweig Rosmarin überreicht und er ihn annimmt, wird er sie ewig lieben. So jung waren sie gewesen und so feierlich ihre gegenseitigen Versprechen. So sicher, dass sie ihr Leben selbst bestimmen konnten. Rosmarie goss sich aus dem Keramikkrug mehr Wein ein, spielte das Rollenspiel. Bald war sie Ivan und wiederholte sein Versprechen wiederzukommen, und bald sie selbst und ihre Angst vor der Einsamkeit mit dem Kind, das sie erwartete. Zunehmend berauscht, glitt sie wie betäubt immer tiefer in die Rollen. Sie kümmerte sich nicht darum, dass sie Wein verschüttete und das Kleid Flecken bekam. Der Abschied. Ivans letzte Worte und ihre eigenen. Die Leere.
    Jetzt hörte sie seine Schritte auf dem Schotterpfad, nicht mehr eifrig und fröhlich, nicht mal mehr entschlossen. Sie sah durch die Blätter seinen Schatten, eilte auf die Treppe hinaus und breitete ihre Arme aus. Ihr Haar leuchtete wie ein kupferfarbener Glorienschein im Licht der Stearinkerzen. Die cremeweiße Farbe des Kleides ließ die Haut schimmern. Ihre Wangen waren vom Pflaumenwein gerötet. Er stand regungslos da und sah sie unschlüssig an. Sah sie, als ob die Zeit sie nie getrennt hätte, und nahm sie in den Arm, vergaß alle Vorsätze. Sog ihren Duft ein, von dem er so lange geträumt hatte, und begann zu weinen. Ein Weinen, das er so viele Jahre aus seinem Bewusstsein verbannt hatte. Er ließ die Hände über den dünnen Kleiderstoff gleiten und spürte ihren warmen Körper. Küsste sie auf die Stirn und den Mund. Sie schmiegte sich dichter an ihn. Vorsichtig streichelnd knöpfte sie sein Hemd auf und ließ die Hand über den Hosenstoff gleiten, von den Schenkeln aufwärts zum Reißverschluss. Ihre Küsse versprachen alles. Ivan verlor für einen kurzen Moment die Kontrolle über sich, bevor er mit ungestümer Heftigkeit ihr Handgelenk ergriff.
    »Ich kann nicht. Da ist kein Leben mehr. Alles ist zerstört und von Elektroschocks ausgebrannt. Ich kann nicht mal mehr richtig pinkeln.« Mit der rechten Hand hob er einen Urinbeutel aus dem Gürtel, um sie zu erschrecken und die Stimmung, die ihn zu überwältigen drohte, gründlich zu verderben. »Starr mich ruhig an, du, sieh dir das an.« Er versuchte, sie von sich wegzuschieben, aber sie klammerte sich an ihn. »Ich will kein Mitleid«, rief er wutentbrannt und bedauerte, dass er überhaupt gekommen war. Hasste sich selbst, weil er zugelassen hatte, das sie wieder Macht über ihn ausüben konnte.
    »Ich auch nicht. Ich liebe dich, Ivan. Ich habe dich immer geliebt.« Ihr Gesicht war ganz nahe vor ihm. »Bleib bei mir.« Sie nahm ein Glas vom Tisch, hielt es an ihre Lippen und führte ein zweites an seinen Mund. »Auf uns!«
    »Auf uns«, antwortete er und sah ihr in die Augen. Suchte nach einem Schimmer von Angst oder Enttäuschung, fand ihn aber nicht. »Ich hätte dich umbringen können«, stieß er hervor in einem letzten, von Zweifeln geplagten Versuch, sie zu erschrecken.
    »Ich habe nichts mehr zu verlieren.« Sie blickte ihn mit einem ernsten Lächeln an. Trank einen Schluck Wein. »Und du?«

    Konrad Hultgren ging in seiner Küche auf und ab. Lange hatte er unten im Pavillon Licht gesehen. Vielleicht war Rosmarie dort im Dunkeln allein. Er hatte in den letzten Tagen Veränderungen bemerkt, ein neuer Stolz, eine neue Entschlossenheit. Jetzt würden sie mit Clarence fertig werden, wenn er zurückkam. Konrad steckte sich zwei Tabletten unter die Zunge, nahm die Taschenlampe und ging in die Dunkelheit hinaus. Auf halbem Weg an dem Teich vorbei spürte er plötzlich eine Hand auf seinem Arm.
    »Polizei! Gehen Sie in Deckung. Es kann gefährlich werden. Er ist bewaffnet.« Polizeiinspektor Himberg schob den alten Mann zurück in Richtung auf das Haus. »Sind sie in dem Pavillon?«
    »Ich weiß nicht. Was wollen Sie denn machen?«
    »Wenn Sie in Deckung gehen, kümmere ich mich um meine Aufgabe«, antwortete Himberg überheblich.
    »Wer ist bewaffnet?«, wollte Konrad mit rauer Stimme
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