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Totenstimmung

Totenstimmung

Titel: Totenstimmung
Autoren: Arnold Kuesters
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das ständig allen möglichen Leuten erzählt. Und mich hat sie dauernd mit der Frage gelöchert, ob ich denn meine, dass sie das schaffen wird. Sie hat immer wieder die Telefonnummer von ihrem Betreuer aus der Tasche gezogen und erklärt, dass sie bei Problemen einfach nur ihren Volker anrufen muss. Der würde ihr immer helfen.« Wilfried Moll nickte nachdenklich. »So sind sie, die Menschen mit Behinderungen. Das muss man wissen. Sonst können sie einem ganz schön auf die Nerven gehen mit ihren Ticks.« Er lächelte seinen Bandkollegen an. »Ich kann mir trotzdem keine schönere Arbeit vorstellen.«
    »Wenn sie so fröhlich war, hat man sicher schnell Kontakt zu ihr bekommen.«
    Moll seufzte. »Leute mit Down-Syndrom lassen sich in aller Regel leicht für etwas begeistern. Sie sind auf alles neugierig. Es gibt aber auch Situationen, in denen sie einen gehörigen Dickkopf entwickeln können. Das muss man im Umgang mit ihnen berücksichtigen.«
    Frank horchte auf. »Dann ist die Kontaktaufnahme doch nicht so einfach? Muss man dafür irgendwie geschult sein?«
    Wilfried Moll nickte bedächtig. »Du meinst?«
    »Es wäre möglich, dass der Täter aus dem Umfeld von Elvira Theissen kommt. Dass es jemand ist, den sie kannte und dem sie vertraute.«
    »Jemand hier aus der Werkstatt?« Wimos Augen verengten sich. Er atmete hörbar ein und aus. »Frank, bei uns arbeiten über sechshundert Behinderte, die zum Teil schwerst mehrfachbehindert sind. Nein, ich kann mir das bei keinem meiner Leute vorstellen. Außerdem haben wir einen Verhaltenskodex entwickelt, verbindliche Regeln für den Umgang der Angestellten mit unseren behinderten Mitarbeitern, da haben Täter, welcher Art auch immer, keine Chance. Wir tun alles, damit so was nicht passiert. Aber was Menschen mit Down-Syndrom betrifft: Um ihre Neugierde zu wecken, musst du nicht unbedingt Fachmann sein.«
    »Wie meinst du das?«
    »Ich meine nur, dass behinderte Menschen oft wie Kinder sind. Sie lassen sich leicht ablenken und beeinflussen. Körperkontakt ist vielen ganz wichtig.«
    »Wodurch lassen sie sich zum Beispiel ablenken?«
    »Das kann alles Mögliche sein. Kleinigkeiten oft. Dinge, die uns selbst auf den ersten Blick nicht so wichtig erscheinen. Ein Allerweltsgegenstand. Ein Buch, ein Bild, eine Feder, irgendwas.«
    Frank zögerte einen Augenblick, bevor er es aussprach. »Das kann auch eine Mundharmonika sein?«
    Wimo stutzte. »Das kann auch eine Mundharmonika sein, klar.«
    »Bei der Toten haben wir nämlich eine Mundharmonika gefunden. Noch ist nicht klar, ob sie ihr gehört hat. Die Auswertung der Spuren ist noch nicht abgeschlossen.«
    Wilfried Moll nickte. »In der Wäscherei steht ein Kofferradio. Elvira hat oft zu der Musik gesungen. Ich weiß, dass sie besonders gerne WDR4 gehört hat. Zu ihrem letzten Geburtstag haben ihr die Leute aus der Werkstatt eine CD mit Schlagern geschenkt. Außerdem mochte sie Tokio Hotel. So eine Mundharmonika ist für Elvira bestimmt ein geheimnisvolles Ding gewesen. Wenn sie sie von jemandem geschenkt bekommen haben sollte, wird derjenige sicher leichtes Spiel mit ihr gehabt haben.«
    »Wir werden sehen. Ich brauche möglichst bald eine Aufstellung aller nichtbehinderten und behinderten Mitarbeiter, die Kontakt zu Elvira Theissen hatten.«
    »Kein Problem. Wird aber eine kleine Weile dauern.«
    »Bis morgen?« Frank stand auf.
    »Bis morgen.«
    »Ich fahre jetzt zum Proberaum. Kommst du mit?«
    Der Bassist schüttelte den Kopf. »Später. Ich muss noch ein paar Telefonate führen.«
    »Du bist dir ganz sicher?« Frank legte die Hand über den Hörer und sah Ecki an. »Linder kann auf keinem der vorhandenen Bilder Elvira Theissen erkennen.«
    Ecki verzog enttäuscht das Gesicht.
    »Okay, Torsten, war ein Versuch.« Frank legte auf.
    »Nix?«
    »Null. Die Stadtwerke dürfen mit ihren Kameras nur den unmittelbaren Haltestellenbereich aufnehmen. Viele Bilder sind zudem teilweise geschwärzt, wegen des Datenschutzes.«
    »Wenn die Bilder nicht gespeichert werden dürfen, woher stammen sie dann?«, wunderte sich Ecki.
    Frank grinste schief. »Vorschrift und Wirklichkeit. Angeblich sind die Aufnahmen versehentlich liegen geblieben. Wenn wir nicht gekommen wären, hätte man sie aber schon längst gelöscht. Sagt der zuständige Techniker.«
    »Und? Was jetzt?«
    »Das Übliche: Fahrgäste befragen, die Anwohner am Dohrer Busch, Radfahrer. An Hundebesitzer Handzettel verteilen. Eine Behinderte muss dort doch auffallen. Von der
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