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Totenkönig (German Edition)

Totenkönig (German Edition)

Titel: Totenkönig (German Edition)
Autoren: Uwe Siebert
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ihre Blicke die seinen trafen, fuhren die Leute erschrocken zusammen. Gleich Patryous` Augen waren auch Larkyens die eines Raubtiers; unzählige seiner Opfer hatten im Moment ihres Todes tief hineingesehen wie in einen bodenlosen Abgrund. Dann hatten sie erkannt, wer und was er war. Er war ein Lebensfresser, eine Bestie, er nährte sich durch bloße Berührungen von ihrer Lebenskraft und ließ nur die toten Leiber zurück. Larkyen und Patryous waren Götter, hungrige Götter.
    Unter den Waldläufern des Landes Wotar gab es ein Sprichwort, das leichtfertige Reisende an jene Gefahr einer Begegnung mit U nsterblichen erinnerte: Das Leben für die Lebensfresser, das Fleisch für die Wölfe.
    Sogar ihre Waffen verbargen Larkyen und Patryous vor den Me nschen. Aus schwarzem Stahl geschmiedet, trugen sie die archaische Macht der Runen des Nordens in sich. Waffen jener Art strahlten eine Aura aus, die Sterblichen eine Gänsehaut bescherte und Unsterbliche manchmal das Fürchten lehren konnte. Nur der schwarze Stahl vermochte einen Unsterblichen zu vernichten. Und selbst die Menschen erzählten sich mittlerweile in manchen ihrer Geschichten von dem schwarzen Stahl der Götter und wie die Unsterblichen gegeneinander kämpften.
    Während Larkyens Schwert, verborgen in einer Lederscheide, u nter seinem Umhang ruhte, hatte Patryous ihren Speer in Felle gehüllt.
     
    In keinem anderen Teil der Welt hatte Larkyen je eine solch gewaltige Stadt gesehen. Sie galt als Zentrum der Zivilisation und erstreckte sich als steinerner Dschungel bis zum Horizont. Einige Häuser und Türme waren so hoch wie Berge, sie waren durch bogenförmige Brücken miteinander verbunden und zeugten von meisterhafter Baukunst.
    „Willkommen in Meridias!“ Eine Kinderschar lief auf die Straße, in den Händen trugen sie mit Wasser gefüllte Tonkrüge, die sie den Neuankömmlingen anboten. Die Kinder waren keinesfalls gut g enährt, in ihren Augen stand die Bitte um eine milde Gabe geschrieben.
    „Wasser gegen Fleisch oder Obst“, riefen sie. „Bitte, wir sind Waisen.“
    Der Unsterbliche warf ihnen einige Goldmünzen zu, auf denen die Silhouetten längst vergessener Könige des Westens eingeprägt waren, und erhellte so ihre jungen Mienen. Lange hatte er kein Kinderlachen mehr gehört. Ihr Wasser nahm er nicht an, denn er kannte keinen Durst.
     
    Und wie schon so oft auf ihrer Reise hüllte er sich in Schweigen.
    „Denkst du wieder einmal an den Krieg zurück, Totenkönig?“
    Er nickte. „An den Krieg, an die Finsternis und an mein Heer. Wenngleich es nur ein Heer der Toten ist, kalt und gefühllos, so bin ich dennoch mit ihnen verbunden. Ich verwehre ihnen die Ruhe des Todes, und so sind sie meine Augen und Ohren in der Ferne – ich sehe was sie sehen, und höre, was sie hören: Tiefste Finsternis! Und trotz meines Wunsches, nach Süden zu reisen, überkommt mich manchmal der Gedanke, dass ich in ihrer Nähe bleiben sollte.“
    „In Kyaslan wäre das Totenheer niemals willkommen, der Imp erator würde die Geister nicht dulden. Womöglich würde man ihre Gegenwart als kriegerischen Akt wahrnehmen. Du hast viele Geister mit Waffen aus schwarzem Stahl ausgerüstet. Es gibt sogar Unsterbliche, die behaupten, mitsamt deinem Heer würdest du zuviel Macht besitzen.“
    „In Oklanstadt und Eisenburg fertigten die Strygarer solche Wa ffen zu tausenden an. Sie kannten unser Geheimnis des schwarzen Stahls, sie kannten die Runen des Nordens. Als meine Geister diese schwarzstählernen Waffen aus den Händen unserer gefallenen Feinde rissen, erwarben sie sich das Recht, diese Schwerter und Äxte zu besitzen. Mögen Narren zuviel Macht in meinem Heer wissen – ich weiß, wie ich diese Macht am besten einzusetzen vermag.“
    „Dort wo die Geister jetzt sind, verrichten sie einen guten Dienst.“ Patryous seufzte. „Du und ich, wir führen ein gutes Leben voller Siege, voller Leidenschaft und Liebe, bestimmt für die Ewi gkeit, wenn wir es wollen. Und dennoch ist dein Herz so voller Sorge, seit so vielen Tagen und Nächten schon.“
    „Aye, meine Liebe. Weil ich weiß, dass trotz unseres Sieges über die Strygarer ihr Schöpfer Strygar noch immer Teil dieser Welt ist. Er ist körperlos und unsichtbar, ein fleischloser Gott, wie er auch g enannt wird. Er ist irgendwo dort draußen, vielleicht erklingt seine Stimme manchmal im Feuer, im Wasser, in der Erde oder der Luft. Was geschieht, wenn sie erhört wird? Noch immer existiert irgendwo seine Anhängerschaft.
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