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Tote Stimmen

Tote Stimmen

Titel: Tote Stimmen
Autoren: Steve Mosby
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einer Gruppe von Leuten zusammen. Eine junge Frau war schrecklich dünn, und ich nahm an, dass auch sie Patientin war. Zu dem Mädchen gehörte ein älteres Ehepaar, ihre Eltern, wie ich vermutete.
    Gegenüber saßen Choc und Cardo. Sie schauten mich an.
    Ich grüßte mit einem Nicken. Choc erwiderte es, aber Cardo sank nur noch ein bisschen mehr in sich zusammen, sah weg und fing an, mit dem Fuß auf den Boden zu tippen.
    »Hi.« Ich hätte Tori gern die Hand auf die Schulter gelegt, wusste aber nicht, ob das erlaubt war, also beugte ich mich zu ihr hin. »Ich hab’s geschafft.«
    Sie sah mich an und grüßte im Sonnenlicht blinzelnd.
    »Hallo. Komm doch und setz dich.«
    »Danke.«
    Ich wühlte in der Tüte, die ich mitgebracht hatte. »Zigaretten.«
    »Danke schön.«
    »Lass mal sehen.«
    Sie drehte den Kopf, damit ich sie betrachten konnte, und ich musste ein Zusammenzucken unterdrücken. Das Sonnenlicht ließ die Farben auf der einen Gesichtshälfte aufleuchten, ein Gemisch aus lila, gelben und blauen Flecken. Ihr linkes Auge war gerötet und blutunterlaufen, als trüge sie eine Kontaktlinse für eine Rolle in einem Horrorfilm. Wieder ergriff mich die Wut über das, was Eddie Berries getan, und das, was ich nicht getan hatte.
    »Sehr hübsch.«
    »Ja, find ich auch«, sagte sie bestimmt. »Lila war schon immer meine Lieblingsfarbe.« Sie wandte sich zu dem magersüchtigen Mädchen neben ihr. »Das ist Amy und Verwandte von ihr.«
    »Nett, Sie kennenzulernen.«
    Wir lächelten alle einander zu – ein wenig verlegen –, und dann fing Tori an, mit Amy zu sprechen, als sei ich gar nicht da.
    »Du musst mich daran erinnern, sie dir zu schicken, wenn wir wieder draußen sind«, sagte sie. »Ich finde, es ist eine seiner besten.«
    Ich zündete mir eine Zigarette an, und wir saßen ein paar Minuten schweigend da. Als der Pfleger mir gesagt hatte, dass Tori sediert sei, hatte ich eigentlich erwartet, sie in gedämpfter Stimmung oder schläfrig vorzufinden. Aber es war eher so, dass sie einem leicht ablenkbar vorkam; sie sprang zwischen den Themen hin und her, begann ein Gespräch und brach es völlig wahllos wieder ab. Ohne Medikamente wäre sie wahrscheinlich ruhelos gewesen. Unter dem Einfluss der Mittel war das manische Element noch da, aber wie hinter einem Grauschleier verborgen, wie ganz leise gestellte Tanzmusik.
    Schließlich wandte ich mich an Choc. »Wie geht’s denn so?«
    Er zuckte mit den Achseln und zündete sich auch eine an.
    »Na ja, dies und das, weißt du. Ist in Ordnung.«
    »Das ist gut.«
    Er zeigte auf Tori.
    »Hat sie dir erzählt, was passiert ist?«
    »Das meiste.« Ich schüttelte den Kopf, zögerte und sagte dann: »Ich wünschte, ich hätte etwas getan.«
    Sein Gesichtsausdruck wurde kalt und leer. Er nickte langsam und sagte dann leise: »Das kannst du laut sagen.«
    Ich hatte die beiden seit jenem ersten Abend in Edward’s Bar nur noch zweimal getroffen. Sie waren immer ganz nett, und man vergaß leicht, womit sie ihren Lebensunterhalt verdienten. Aber nachdem ich es nun einmal erfahren hatte, war es natürlich immer gegenwärtig.
Sie beschützen mich
, sagte Tori einmal, und ich nahm an, das war einer der Gründe, warum ich nie Abneigung gegen die beiden empfunden hatte. Tori hatte etwas an sich, das alle möglichen ganz verschiedenen Leute anzog. Wie diese Leute sich ihr gegenüber benahmen, wurde zu einer Art Messlatte für mich. Wenn Choc sie mochte und für sie sorgte, konnte er kein ganz übler Bursche sein. Eddie war genauso von ihr angezogen, brachte es aber irgendwie fertig, ihr weh zu tun.
    »Ich bin froh, dass du gekommen bist«, sagte Choc. »Sie hat die ganze Zeit von dir geredet.«
    »Ich wollte ja. Ich fand, ich sollte kommen, weißt du?«
    Er stieß den Rauch aus und nickte nachdenklich, starrte in die Ferne und überlegte. Ich ließ dem Schweigen Raum. Als er mit der Zigarette fertig war, trat er sie aus, statt sie in das Gefäß zu werfen.
    »Was hast du später vor?«, fragte er.
    »Später?«
    »Ja. Hast du Zeit?«
    Ich machte den Mund auf, aber er unterbrach mich, um klarzustellen, was er meinte.
    »Wir wollen nachher noch mit jemandem reden. Ich dachte, vielleicht würdest du gern mitkommen.«
    Tori drehte sich um.
    »Dave, du musst dich eincremen, sonst bekommst du ’n Sonnenbrand.«
    »Ääh, ja.«
    Ich sah mich etwas ratlos um, als ob die Sonnencreme durch Zauberkraft erscheinen würde, aber dann nahm Tori eine Flasche, die neben ihr stand.
    Sie drückte
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