Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition)

Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition)

Titel: Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition)
Autoren: Anna K.
Vom Netzwerk:
nicht. Er war es nicht. Ich entschuldigte mich, der Gast war nicht einmal böse, er hatte ja auch nicht aufgepasst, und ich sicherte ihm zu, die Buchung umgehend zu stornieren und alles Weitere mit seiner Firma zu klären.
    Meine Fehlbuchung blieb natürlich nicht unentdeckt, dafür sorgte Frau Küttner. Noch bevor die Rapport-Runde begonnen hatte, erschien Herr Raschke höchstpersönlich, um mich für mein unfassbares Fehlverhalten zu bestrafen. »Sie schreiben dem jetzt einen Brief!«, ordnete er an, einen Entschuldigungsbrief auf Englisch, weil der Mann aus Schweden kam. Einen Brief, in dem laut Raschke ganz klar erkennbar werden sollte, wie dumm und fahrlässig ich gehandelt hatte und wie sehr mir eine Wiedergutmachung am Herzen liege. »Zwei Seiten, mindestens«,
gab er vor, und ich musste an die Seiten seines Schreibblocks denken. Er dachte offenbar wirklich gerne in Seitenzahlen.
    Während mein Feierabend also in weite Ferne rückte, bemühte ich mich, diesen Brief zu Papier zu bringen. Mein Englisch war nicht herausragend, und wie man Floskeln der Unterwürfigkeit formuliert, hatte mir im Englischunterricht ohnehin niemand beigebracht.
    Ich benutzte intensiv die Seite leo.org und versuchte mich an einem besonders aufgeblähten Englisch, um auf die zwei Seiten zu kommen. Am Ende war ich fast stolz auf mein Werk, für das ich knapp zwei Stunden gebraucht hatte.
    Herr Raschke war leider nicht so stolz wie ich. Er nahm sich den Ausdruck vor, löste lustvoll die Kappe von einem roten Filzstift und strich wild ganze Passagen durch, unterschlängelte andere, murmelte »So ein Unsinn« und attestierte mir ein »grottenschlechtes Englisch«. Da er keinen einzigen Rechtschreibfehler anstrich und keinen Grammatikfehler bemerkte, von denen da sicher ein paar versteckt waren, und stattdessen nur neue Formulierungen auf Deutsch dazwischen schrieb, war ich fast sicher, dass sein Englisch nicht unbedingt besser war als meins.
    Die zweite Fassung meines Schreibens wurde noch einmal genauso rot markiert, erst ab der dritten wurde es besser, die vierte war noch mal ein kleiner Rückschritt, dafür gab er sich mit der fünften Fassung endlich zufrieden. »Dann weg damit«, so lautete sein gnädiges Urteil. Es war inzwischen drei Uhr nachts, ich hatte Spätschicht
gehabt und hätte schon seit fünf Stunden zu Hause sein können.
    Als ich am nächsten Morgen aufwachte, belohnte ich mich mit einem besonders guten Frühstück: Ich presste mir Orangensaft und beschmierte mein Baguettebrötchen mit einer besonders dicken Schicht Nutella. Und dann wusste ich: Ich würde kündigen.
    Mein Aufstieg an die Rezeption hatte sich als Flop erwiesen. Ich wollte abheben und bin doch nicht über die Rollbahn hinausgekommen.
    Ich hätte auf dem Schiff unter Protest kündigen können, im Royal, ich hätte es immer schon tun sollen, in dem Moment, wo mir klar war: Das quält mich hier. Bisher hatte ich diese Momente ignoriert, ich dachte, es führe zu etwas, wenn ich durchhalte. Ich dachte immer: Dies muss ich noch durchstehen, aber dann, ganz sicher, wird ein Vorhang aufgehen und das Paradies wird sichtbar. Anna wird zur Belohnung für all den Quatsch, den sie mitgemacht hat, auf einen Schimmel gehoben und dann reitet sie unter einem Regenbogen hindurch und irgendwer lässt mit Gas befüllte Luftballons aufsteigen, auf denen ganz groß »Danke« steht. Ja, ja.
    Von nun an würde ich immer kündigen, wenn es zu arg wird. Ich würde auch wieder kämpfen, wenn es sich lohnt. Aber gegen Raschke zu kämpfen, inmitten einer Schar von Kolleginnen, die längst schon aufgegeben hatten, erschien mir ähnlich sinnvoll wie auf das weiße Pferd zu warten.
    Ein paar Tage später legte ich Herrn Raschke die Kündigung auf den Schreibtisch, so wie ich ihm zuvor die
Entschuldigungsbriefe hingelegt hatte. Raschke reagierte weder überrascht noch unfreundlich. Diesmal zückte er auch keinen Rotstift, es war ja auch alles fehlerfrei.

Check-out
    Ich war es gewohnt, nicht in allzu langen Zeiträumen zu denken. Dass nach vier Monaten im Diamant schon wieder alles vorbei war, damit hatte ich zwar nicht gerechnet, aber es fiel mir auch nicht schwer, neue Pläne zu schmieden. Ich hatte ja auch keine andere Wahl.
    Schon im Central hatte mich manchmal der Gedanke gestreift, dass ich für einen echten Ausweg aus diesen prekären Beschäftigungsverhältnissen mehr brauchen würde als nur eine entsprechend hohe Anzahl von Bewerbungen für alle möglichen Stellen. Es war noch zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher