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Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Tore der Zeit: Roman (German Edition)
Autoren: Lea Nicolai
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lebhaft. »Auf jeden Fall würde ich das Geld nehmen«, sagte er. »Nur ein Idiot würde sich anders entscheiden. Wir nehmen das Geld und kaufen die Kirche. Falls du allerdings gewinnst, machen wir Jagd auf dich.«
    Mit diesen Worten ließ er sie stehen.
    Es dauerte eine Weile, bis das betäubte Gefühl in der Herzgegend nachließ. Immerhin geschah es zum ersten Mal, dass sie von einer Gruppe unberechenbarer Zocker aus Sankt Petersburg bedroht wurde.
    Leider hatte Vadym nicht ganz Unrecht: Mit den Zeittoren ging tatsächlich etwas Unerklärliches vor, und sie hatte die Ursache dafür noch nicht herausgefunden. Letztlich war das sogar der Grund, weshalb sie in dieser dämlichen Quizshow saß: Ohne funktionsfähige Tore gelangten Lucian und sie nicht wieder in die Zeit zurück, in der Yvonne verschollen war. Deshalb hatte sich die Suche nach ihrer Schwester so quälend in die Länge gezogen – so lange, bis auch ihre letzten finanziellen Reserven erschöpft waren. Und eine Hexe ohne Geld war eine Hexe ohne Geld, daran änderte sich auch im einundzwanzigsten Jahrhundert nichts.
    Nun kam alles auf die letzte Runde an.
    Die Hocker wurden in den Boden gefahren, die Bildschirme eingeklappt. Auf dem Boden erschienen farbig leuchtende Ringe, in die sich die Kandidaten stellen mussten. Auch die Zuschauer nahmen ihre Plätze wieder ein. Dann wurde mit großem Getöse der letzte Durchgang des WizzQuizz angekündigt.
    »Nun hängt alles von der Gabe der Kandidaten ab!«, rief Beliar. »Beginnen wir mit folgender Frage: Was ist Magie?«
    Ravenna blähte die Nasenflügel. Das war nun wirklich eine hinterhältige Aufgabe. Denn Magie konnte alles Mögliche sein, angefangen von Kleinigkeiten, die den Alltag erleichterten, bis hin zu Heilkunde, Liebesbann und Wettermagie. Die Sieben hatten sie in diese Künste eingeführt und darauf bestanden, dass sie jede Disziplin beherrschen lernte. Was sollte sie also sagen?
    Sie schaute zu Vadym hinüber und merkte, dass er ähnlich ins Grübeln kam. Ganz sicher unterschied sich russischer Taschenspieler-Zauber von Hexenkunst. Und dennoch musste es eine Gemeinsamkeit geben.
    Plötzlich lächelte Ravenna. Sie streckte den Arm aus und drehte die Innenseite nach oben. Der Lichttechniker verstand sein Handwerk, denn er dimmte die Scheinwerfer sofort herunter, bis man nur noch die Umrisse der Kandidaten sah.
    Ravennas Finger wurden taub, als sie in den Kraftstrom eintauchten. Seidenschnüre wehten ihr über die Haut. Eine Säule aus Goldpuder entstand, ein flackerndes Nordlicht mitten im Studio. Farbige Schlieren wirbelten im Inneren der Säule. Sie sah aus wie eine pulsierende Ader aus flüssiger Energie. Das Publikum seufzte und staunte.
    »Der Strom«, erklärte Ravenna, »ist die Quelle magischer Macht. Alles ist durch den Strom verbunden. Jede magische Handlung speist sich aus ihm. Sogar die Schwarzkunst.«
    Sie blickte zu Vadym herüber. Der Russe lächelte. Auch er streckte beide Hände aus und zog sie mit einem Ruck zur Brust. Zwischen seinen Handflächen tanzte eine schwarze Flamme. Ein einsamer Stern glühte an der Spitze.
    »Der Strom und sein Schatten«, ergänzte er. »Ravenna hat vollkommen recht: Alles steht miteinander in Verbindung. Egal welchen Zauber wir vollbringen – immer hat er Auswirkungen auf das ganze Universum.«
    Sie zog die Hand zurück. Der Teil des Stroms, den sie in den sichtbaren Bereich gezogen hatte, verschwand wieder. Auch Vadyms Kraft verblasste.
    »Wunderbar!«, rief Beliar und kam hinter den Kulissen hervor. »Ravenna hat uns nicht zu viel versprochen. Sie ist eine echte Hexe – das hat sie soeben bewiesen. Ein Punkt für sie. Und einer für Vadym, weil uns beide den Kern echter Magie gezeigt haben! Jetzt versuchen wir es mit ein wenig Wahrsagerei.«
    Ein Lichtkegel richtete sich auf die Kerkertür. Hinter diese Tür wurde das Medium während des Vorspanns geführt und das Verlies mit großem Aufwand verriegelt. Beim Betreten des Studios hatte Ravenna die Riegel mit den Fingern gestreift. Sie waren aus Plastik. Jetzt zog ein Herold die Schieber beiseite und öffnete das Schloss. Die Tür sprang auf, und mit einem Tusch kam das Medium hervor.
    Du liebe Zeit. Ein Mädchen mit einer riesigen Brille. Ihre Stimme in Ravennas Kopfhörer hatte viel älter geklungen. Die Kleine trug das Hexenbrett unter dem Arm. Von ihrem Kopf standen kurze Afrolöckchen ab. Über ihre Schulter blickte Ravenna in einen Raum voller Mischpulte und Aufnahmegeräte. Dann zog der
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