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Top Secret - Der Verdacht

Top Secret - Der Verdacht

Titel: Top Secret - Der Verdacht
Autoren: C. Bertelsmann
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vom Tisch und ließ sich mit dem Gesicht voran auf einen Sitzsack am Fenster fallen.
    Die beiden drehten sich um, als die Tür aufsprang. Vladimir Obidin stand im Türrahmen. Der kräftig gebaute Mann trug die maßgeschneiderte Uniform eines hohen Polizeibeamten.
    »James, du gehst jetzt«, erklärte er.
    James sah auf die Uhr, und Mark seufzte enttäuscht.
    »Aber es ist erst zwanzig nach«, sagte James.
    »Hier findet heute Abend ein Treffen statt«, antwortete Vladimir und wurde abrupt ärgerlich. »Ich muss mich nicht vor Kindern rechtfertigen. Wenn ich sage, du gehst, dann gehst du.«
    Vladimir jagte James Angst ein. Der Mann hatte für den russischen Militärgeheimdienst gearbeitet und war dafür bekannt, Kriminellen in Aero City Geständnisse mithilfe von Zahnarztinstrumenten und einem Lötkolben zu entlocken. James versuchte, nicht eingeschüchtert zu wirken, als er sich von Mark verabschiedete, seinen Rucksack nahm und die Bibliothek verließ.
    »Ich habe einen langen Heimweg«, meinte er nervös. »Kann ich noch mal aufs Klo?«
    Vladimir seufzte, als hätte James ihm gerade eine schwere Bürde auferlegt. »Beeil dich aber.«
    James betrat ein großzügiges Bad mit einer riesigen Badewanne und birkenholzvertäfelten Wänden. Er setzte den Rucksack ab und zog leise – Vladimirs Anwesenheit vor der Tür war ihm nur allzu sehr bewusst – sein Nokia aus der Seitentasche.
    Als er es aufklappte, sah er, dass einige E-Mails eingegangen waren. Der Empfang in Aero City war dürftig, und wenn er einmal in ein Gebiet mit gutem Empfang kam, erhielt er immer eine ganze Reihe von Nachrichten und Listen mit verpassten Anrufen. Aber jetzt war kein guter Zeitpunkt, sie zu checken. Er aktivierte eine drahtlose Nachrichtenapplikation und tippte eine vierstellige PIN ein, um ein geheimes Menü zu öffnen.
    In den letzten drei Wochen, seit er Mark nach der Schule unterrichtete, hatte er ein Dutzend stecknadelkopfgroße Abhörgeräte im Haus der Obidins versteckt. Eine Reihe grüner Balken auf dem Bildschirm des Webhandys zeigte ihm an, dass sie alle funktionierten und perfekt sendeten.
    »Beeil dich!«, rief Vladimir und hämmerte mit der Faust an die Tür. »Ich bin ein viel beschäftigter Mann!«
    »Bin gleich fertig!«, rief James zurück, schubste das Handy wieder in die Tasche und wandte sich zur Tür. Im letzten Augenblick dachte er daran, die Klospülung zu betätigen.
    Mark winkte James aus einem der Fenster im oberen Stockwerk fröhlich zu, als der in die Auffahrt trat und von Vladimir zu dem massiven Stahltor am Eingang des Obidin-Grundstücks eskortiert wurde.
    »Alles klar, Slava?« James nickte zum Gruß, als er an einem Wachmann vorbeikam und durch eine verstärkte Stahltür in der einen halben Meter dicken Mauer trat.
    Der gelangweilte und halb erfrorene Wachmann sprach normalerweise ein paar Sätze mit ihm, aber unter Vladimirs Blick erstarrte er und erwiderte nicht einmal James’ Nicken.
    Sobald James das Grundstück verlassen hatte, zog er den Reißverschluss seiner Jacke bis oben zu und stellte den Kragen auf, um sich gegen die Kälte zu wappnen. Während dieser Mission wohnte er in einem Wohnblock sechs Kilometer weiter bei einem falschen Onkel und einer falschen Tante. Die zwei gaben sich als Waffenhändler aus, die Denis Obidin Raketengeschosse abkaufen wollten, in Wirklichkeit arbeiteten sie für den MI5 .
    Etwa einen halben Kilometer vom Haus der Obidins entfernt war eine Haltestelle, von der aus ein Bus in die Stadt fuhr, aber das Nahverkehrssystem in Aero City war unzuverlässig. Es war unerträglich, bei Minusgraden auf einen Bus zu warten, und falls er dann tatsächlich kam, war er voller Zigarettenqualm und schlecht gelaunten Rentnern mit schlimmem Husten. Nach Hause zu joggen war die gesündere Option und hatte außerdem den Vorteil, dass James noch einigermaßen in Form war, wenn er zum Campus zurückkehrte.
    Der erste Teil des Wegs führte an einer tristen Straße ohne viel Verkehr entlang, die zu beiden Seiten von Bäumen gesäumt war. James liebte diesen Abschnitt seiner täglichen Joggingstrecke nach Hause mit der frischen Luft und dem Duft nach Kiefernnadeln. An Fabrik Sieben hörten die Bäume auf. In dem riesigen, eineinhalb Kilometer langen Hangar waren früher fünfunddreißigtausend Arbeiter beschäftigt gewesen, die alle zehn Tage einen dreihundertsitzigen Jumbojet fertigstellten. In den Jahren nach der Schließung war die Fabrik mit Graffiti beschmiert und verwüstet worden, doch
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