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Tolstoi Und Der Lila Sessel

Tolstoi Und Der Lila Sessel

Titel: Tolstoi Und Der Lila Sessel
Autoren: Nina Sankovitch
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Wechselfällen des Lebens und mit der Wirkung, die ein Mensch auf das Leben eines anderen haben kann. Die Erzählung beginnt damit, dass Fjodor Michailowitsch Smokownikow einen schlechten Tag im Büro hat. Er kommt nach Hause und lässt seine Familie dafür büßen, indem er erst seinem Sohn Mitja das Geld verweigert, das dieser braucht, um ein Darlehen zurückzuzahlen, und indem er beim Abendessen mürrisch und reizbar ist: »So aßen sie schweigend, standen schweigend auf und gingen auseinander.«
    Fjodors Weigerung, seinem Sohn die erbetene kleine Summe zu leihen, eine, wie es scheint, Bagatelle in Fjodors Leben, führt zu einer ganzen Reihe von Aktionen und Reaktionen, mit Auswirkungen, die viele ganz unterschiedliche Menschen betreffen. Mitja fälscht einen Pfandschein und gibt ihn einem Ladeninhaber im Tausch gegen die Summe, mit der er seinen Freund auszahlen kann. Als der Ladeninhaber entdeckt, dass er einen gefälschten Pfandschein in der Hand hält, sinnt er seinerseits auf eine betrügerische Handlung, um ihn loszuwerden, und bezahlt damit eine Wagenladung Holz, die er Iwan Mironow abkauft, einem durchziehenden Bauern. Der Bauer will mit dem Schein in einem Wirtshaus bezahlen und wird ins Gefängnis geworfen. Iwan bezahlt eine Strafe und versucht nach seiner Entlassung, Gerechtigkeit zu erwirken, indem er den Ladenbesitzer vor Gericht bringt. Aber der Ladenbesitzer erpresst seinen Hausknecht Wassili, sodass der vor Gericht aussagt, kein Holz sei je von dem Bauern gekauft worden. Darauf brummt der Richter Iwan die Gerichtskosten auf und schickt ihn nach Hause.
    Iwan, nunmehr mittellos, kommt auf die schiefe Bahn und stiehlt die Pferde von Stepan Pelagejuschkin. Der Hausknecht Wassili, von der Schlechtigkeit der Menschen überzeugt, wird zum Dieb und bestiehlt zunächst seinen Herrn, den Ladenbesitzer. Mitja, dessen Betrug unentdeckt geblieben ist, beginnt jetzt ein Leben in bescheidenem Wohlstand. Stepan entdeckt, dass Iwan derjenige war, der seine Pferde gestohlen hat, und erschlägt ihn mit einem Stein, wofür er ein Jahr ins Gefängnis geschickt wird, aus dem er mittellos und obdachlos wieder herauskommt. Immer weiter breiten sich die Wellen von Betrug und Ungerechtigkeit aus und verbinden Leben, die bisher unverbunden waren, durch Gier, Betrug, Enttäuschung, Zorn und schließlich Mord.
    Die immer tiefer in den Abgrund führende Spirale der Ereignisse endet indes mit dem Mord an Marija Semjonowna, einer freundlichen alten Frau. Bevor sie stirbt, warnt sie Stepan, ihren Mörder: »Hab Mitleid mit mir. Fremde Seelen willst du verderben und die deine dazu!« Stepan tötet sie dennoch, aber in dem Moment, da er ihr mit dem Messer die Kehle aufschlitzt, fühlt er sich merkwürdig und irgendwie ganz anders als zuvor: »Plötzlich … überwältigte ihn eine solche Mattigkeit, dass er kein Glied rühren konnte. Er legte sich in den Straßengraben und verbrachte daselbst den Rest der Nacht, den ganzen folgenden Tag und die nächste Nacht.«
    Als Stepan sich endlich aus dem Rinnstein erhebt, geht er geradewegs zur Polizei und stellt sich. Im Gefängnis fängt er an, sein Leben in den Dienst der Wiedergutmachung zu stellen für die Leben, die er genommen hat. Er ist freundlich zu den anderen Insassen, nimmt Anteil an deren Schicksal und besitzt sogar die Fähigkeit, auf andere einzuwirken.
    Von da an wird durch Stepans Verhalten die Handlung in Der gefälschte Coupon zum Guten gewendet. Jede gute und großzügige Tat eines Menschen wird durch weitere gute Taten, die anderen zuteil werden, gelohnt, sodass sich das Gute von einem Menschen zum anderen fortsetzt, bis es schließlich wieder bei Mitja ankommt, dem Sohn, der ursprünglich den Schuldschein gefälscht hatte. Mitja trifft Stepan, inzwischen ein weißhaariger Mann, und hört ihm zu, als der seine Lebensgeschichte erzählt. Diese Geschichte bewirkt eine Verwandlung in Mitja, »für den es bis dahin nur Essen, Trinken, Karten, Weiber, Wein gegeben hatte«. Er ändert sein Leben und nimmt sich vor, »ein Gut zu kaufen, zu heiraten und, so gut es nur immer gehen würde, dem Volk zu dienen«. Mitja, der seinem Vater entfremdet ist, geht zu ihm und sucht Vergebung für die Vergangenheit. Der alte Fjodor ist sehr gerührt und erkennt, welche Güte sein Sohn besitzt und auch er selbst.
    Erst ganz am Ende meines Lesejahres verstand ich die Geschichte, die Tolstoi in Der gefälschte Coupon erzählt. Als ich sie anfangs, im Juli, las, begriff ich zwar, dass wir alle
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