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Tokio Killer05 - Riskante Rückkehr

Tokio Killer05 - Riskante Rückkehr

Titel: Tokio Killer05 - Riskante Rückkehr
Autoren: Barry Eisler
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er.
    Ich tat es. Drinnen fand ich ein weiteres Fläschchen Kaliumchlorid und eine Spritze.
    Ich starrte ihn an, und er nickte. »Onegai shimasu« , sagte er. Bitte.
    Auf einmal begriff ich, warum er mich gefragt hatte, ob Yamaoto leiden würde.
    Ich schüttelte den Kopf. »Verlang das nicht von mir. Tatsu, bitte.«
    »Jetzt, wo Yamaoto nicht mehr ist, habe ich nichts mehr, worauf ich mich konzentrieren kann, um den Schmerz zu verdrängen. Ich halte es nicht mehr aus. Und ich will die letzten Tage nicht im Morphiumnebel verbringen.«
    »Tatsu, ich kann nicht.«
    »Meine Familie leidet ebenfalls. Meine Frau sitzt bei mir, und ich höre sie weinen, wenn sie glaubt, ich würde schlafen.«
    »Was ist mit deinem Enkel? Du hast gesagt …«
    »Gott steh mir bei, es reicht nicht mehr.«
    »Aber du sprichst mit ihm. Ich hab gesehen, wie du ihm was zuflüsterst.«
    »Ja. Und heute Abend hab ich mich von ihm verabschiedet. Und ihm gesagt, dass ich versuchen werde, auf ihn aufzupassen.«
    Ich sah mich um, suchte nach einem Gegenargument. Ich deutete auf seine Brust. »Aber du bist an einen Herzmonitor angeschlossen. Die wären im Nu da und würden dich reanimieren. Ich …«
    »Wenn du mir jetzt sagst, dass du dieses kleine Problem nicht lösen kannst, bin ich sehr enttäuscht.«
    Ich schüttelte den Kopf und sagte nichts.
    »Kannst du es lösen? Rain-san, bitte.«
    Ich schloss die Augen und nickte.
    Er griff nach meiner Hand und nahm sie. »Dann tu es.«
    Ich wartete lange, blickte ihm in die Augen und hoffte, darin zu sehen, wie seine Entschlossenheit nachließ. Vergeblich.
    Ich öffnete die zwei oberen Knöpfe an meinem Hemd, streckte die Hand aus und griff nach der Messelektrode auf seiner Brust. Ich sah ihn an. Er nickte.
    Ich zog die Elektrode ab und klebte sie mir selbst auf die Brust.
    Wir saßen eine Minute so da, ganz still. Ich blickte auf den Monitor und beobachtete die Aufzeichnungen meines eigenen Herzens. Es schlug sehr schnell und sehr fest.
    Die Krankenschwester steckte den Kopf zur Tür herein. »Ishikura-san, ist alles in Ordnung?«
    Tatsu lächelte. »Mir geht’s gut.«
    Ich saß mit dem Rücken zu ihr. Sie konnte den Draht nicht sehen, der sich in mein Hemd schlängelte.
    Sie nickte. »Dann war eins von den Geräten wohl kurz ausgefallen. Tut mir leid, ich wollte nicht stören.«
    Tatsu sagte: »Macht nichts. Würden Sie bitte meinen Aufpasser reinschicken?«
    Sie nickte und ging.
    Einen Moment darauf kam der Bodyguard rein. Tatsu sagte: »Es ist spät. Machen Sie doch Feierabend.«
    Der Bodyguard sagte: »Ich werde erst in dreißig Minuten abgelöst.«
    »Schon gut. Mein Freund passt bis dahin auf mich auf.«
    »Aber …«
    Tatsu fixierte ihn, und einen Moment lang war er wieder gebieterisch wie eh und je. »Ich will Sie nicht noch einmal bitten müssen«, sagte er.
    Der Bodyguard nickte knapp und verschwand.
    Tatsu lehnte sich im Bett zurück und stöhnte. Die Anstrengung, wieder den autoritären Vorgesetzten zu spielen, hatte ihn erschöpft.
    »Also«, sagte er und deutete auf den Infusionsschlauch in seinem Arm
    Ich zog die Spritze auf und schob die Nadel in einen Seitenport an der Hauptleitung. Die Tränen, die ich die ganze Zeit unterdrückt hatte, stiegen mir in die Augen und liefen über.
    »Ich hab mich immer gefragt, wie du wohl bist, wenn du deine Arbeit machst«, sagte er.
    Ich sah ihn an. »Normalerweise weine ich dabei nicht.«
    Er lachte schwach. »Ich werd’s nicht weitersagen.«
    Ich knickte die Hauptleitung über dem Port und klemmte sie mit der Schnur von dem Päckchen ab. Wir waren so weit. Aber ich zögerte noch.
    »Rain-san, worauf wartest du?«
    Ich drückte ihm fest die Hand und sah ihn an. »Du warst mir ein guter Freund«, sagte ich. »Danke.«
    Er lächelte. »Du mir auch. Es gibt sonst niemanden, den ich darum hätte bitten können. Das weißt du doch, nicht wahr?«
    Ich nickte, konnte aber nicht sprechen.
    »Kümmere dich jetzt um deine Familie«, sagte er. »Es gibt nichts Wichtigeres. Pass auf deinen Jungen auf.«
    Ich nickte, die Tränen strömten mir jetzt über die Wangen.
    »Ich habe lange darauf gewartet, meinen Sohn zu sehen«, sagte er. »Bitte, hilf mir, jetzt zu ihm zu gehen.«
    Ich fasste seine Hand noch fester und drückte den Kolben nach unten.
    Er sah mich an, und dann auf einmal blickte er irgendwohin jenseits von mir, auf irgendetwas, das ich nicht sehen konnte.
    Der Druck seiner Hand wurde schwächer und war dann ganz verschwunden.
    Ich zog die Spritze heraus,
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