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Töte mich - Osborne, J: Töte mich - Kill Me Once

Töte mich - Osborne, J: Töte mich - Kill Me Once

Titel: Töte mich - Osborne, J: Töte mich - Kill Me Once
Autoren: Jon Osborne
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Schule sein müssen, anstatt in einer Lache seines eigenen Blutes zu liegen. Doch die Schule kam in dieser Gegend nicht immer an erster Stelle. Trotzdem – warum hatte ihre Mutter sie nicht früher gefunden? Warum hatte sie ihre Tochter überhaupt allein gelassen? Die Kleine war erst acht Jahre alt gewesen, verdammt noch mal. Viel zu jung, um auf sich selbst aufpassen zu können.
    Doug Freeman hatte Danas Gedanken gelesen. »Drogenprobleme«, sagte er. »Wie es aussieht, ist die Mutter gestern Abend aus dem Haus gegangen und erst vor zwei Stunden zurückgekommen.«
    Dana schüttelte den Kopf. Der Killer hatte das kleine Mädchen wahrscheinlich wochenlang beobachtet und gewusst, dass die Mutter die ganze Nacht weg sein würde. Zweifellos nichts Ungewöhnliches in dieser Familie. Letzte Nacht dann hatte die Mutter, ohne es zu ahnen, den Fuchs ins Hühnerhaus gelassen, und er hatte sich ungehindert über die Tochter hergemacht.
    Dana schluckte ihre Wut hinunter und setzte die Untersuchung des Leichnams fort. Die Unterseiten der Arme und Beine wiesen purpurne Verfärbungen auf, da das Blut nicht mehr durch den Körper gepumpt wurde und sich unter der weichen Haut angesammelt hatte. Leichenflecke , nannte man es.
    Dana blickte abermals auf die Uhr und schätzte den Zeitpunkt des Todes auf acht Uhr morgens, bevor sie ihn in ihrem Notizbuch vermerkte. Umfassende Dokumentation war ein zentraler Punkt im Standardwerk des US-Justizministeriums, »Crime Scene Investigation: A Guide for Law Enforcement«, dem Forschungsbericht, der im Jahre 2000 unter der damaligen Generalbundesanwältin Janet Reno veröffentlicht worden war. Zwar hatte jede Behörde ihre eigene Herangehensweise, doch im Allgemeinen versuchten alle, sich an diesen Leitfaden zu halten, wenn es um das Identifizieren und Sichern von Beweismaterial ging.
    Für Dana war das Handbuch so etwas wie ihre persönliche Bibel. Es bestand aus einer Schritt-für-Schritt-Anleitung, wie Tatorte zu sichern und abzuarbeiten waren. Dana hatte die einzelnen Punkte gleich zu Anfang ihrer Karriere auswendig gelernt. Manche Leute führten Tagebücher, um ihr Leben festzuhalten. Nicht Dana. Falls sich irgendwann jemand für ihre Erlebnisse interessierte, musste er bloß einen Blick in den Karton in ihrem Schrank werfen – ein Karton mit hundert Notizbüchern ähnlich dem, das sie jetzt in der Hand hielt.
    Schießereien. Messerstechereien. Strangulationen. Das alles und mehr war in diesen Notizbüchern zu finden. Dazu Fragen zu jedem einzelnen Fall, manche davon beantwortet, zu viele unbeantwortet.
    Wo war die Kugel in den Schädel eingetreten? Zwischen welchen Rippen war das Messer in den Brustkorb eingedrungen, bevor es das Herz durchbohrte? Hat der Killer eine Schnur benutzt, um sein hilfloses Opfer zu strangulieren, oder hat er es mit bloßen Händen getötet?
    Die Notizbücher waren gewissermaßen eine Beschreibung von Danas Leben. Keine sonderlich erstrebenswerte Existenz, das wusste sie selbst, aber wenigstens war sie noch am Leben, was man von der armen kleinen Jacinda Holloway nicht mehr sagen konnte.
    Der nackte Leichnam des Mädchens war vom Täter in eine ganz bestimmte Position gerückt worden, im Tod erstarrt in der perversen Pose eines Hampelmanns: die Arme zu einem V über den Kopf erhoben, die Beine unter dem verstümmelten Rumpf weit auseinandergespreizt. Zwischen den Beinen ragte ein abgebrochener Besenstiel hervor.
    Dana biss die Zähne zusammen und ließ den Blick über den geschändeten Körper schweifen. Eine zähe Flüssigkeit war aus der aufgetrennten Bauchhöhle geronnen, bis hinunter zu dem winzigen haarlosen Dreieck zwischen den dünnen braunen Oberschenkeln. Das braune Augenpaar starrte leer in die Ferne und zugleich nach innen, als versuchte das tote Mädchen, seine eigenen Brauen zu sehen. Den Ausdruck des Erstaunens, der in ihr kleines Gesicht gemeißelt war, nahm sie mit in die Ewigkeit.
    Es hatte eine Zeit in Danas Leben gegeben, als ein grauenhafter Anblick wie dieser dazu geführt hatte, dass der Raum ringsum sich in eine Art surrealistisches Dali-Gemälde verwandelte, doch diese Zeit war vorbei. Heute war sie Profi bis hin zu dem Punkt, an dem man sogar die grundlegendsten menschlichen Emotionen unterdrückte. Wut und Verzweiflung waren keine Option für sie. Nicht mehr. Genauso wenig wie Kummer. Emotionen störten nur.
    Nur wenn du keine Tränen vergießt, hast du klare Sicht.
    Sie reckte den Hals und sprach Freeman von der Seite her an. »Sind
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