Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tödliches Wasser: Roman (German Edition)

Tödliches Wasser: Roman (German Edition)

Titel: Tödliches Wasser: Roman (German Edition)
Autoren: Qiu. Xiaolong
Vom Netzwerk:
Gäste ein Restaurant selten zweimal aufsuchten.
    Doch an den Rippchen war nichts auszusetzen, sie waren perfekt zubereitet, Farbe und Geschmack stimmten, und es gab reichlich Sauce. Auch die gefüllten Lotoswurzeln waren ausgezeichnet, frisch und knackig, aufs Beste kombiniert mit dem süßlichen Klebereis.
    Außerdem genoss Chen das für einen Shanghaier seltene Privileg, der einzige Gast zu sein, und schob sich zufrieden eine weitere Scheibe der rosigen Lotoswurzeln in den Mund. Schon bald war er beim zweiten Bier angelangt. Das Buch lag noch immer ungeöffnet vor ihm, während seine Gedanken zu schweifen begannen.
    Wo bist du gewesen all die Tage –
    wie die wandernde Wolke,
    die die Heimkehr vergisst,
    das Ende des Frühlings nicht achtend?
    Er schüttelte die plötzliche Welle von Selbstmitleid ab und zog sein Handy aus der Tasche. Dann wählte er Hauptwachtmeister Yus Nummer in Shanghai.
    »Hallo, Yu, tut mir leid, dass ich nicht noch einmal in Shanghai vorbeigekommen bin, aber Zhenjiang liegt so nahe bei Wuxi.«
    »Keine Sorge, Chef. Hier steht nichts Besonderes an, zumindest kein Fall für die Sonderkommission.«
    »Und wie sind die Reaktionen im Präsidium?«
    »Was kann Parteisekretär Li schon sagen, wo dein Urlaub von höchster Stelle angeordnet wurde?«
    Parteisekretär Li sah in Chen eine zunehmende Bedrohung für seine Vormachtstellung im Präsidium. Zwar stand er kurz vor der Pensionierung, doch wenn es nach ihm ginge, würde er sich nicht so bald in den Ruhestand verabschieden.
    »Halt mich auf dem Laufenden, Yu. Du kannst mich hier jederzeit anrufen, ich werde nicht allzu beschäftigt sein.«
    »Bist du dir da sicher?«
    Chen kannte den Grund für die Skepsis seines langjährigen Partners. Er war schon öfter zu überraschenden und unerklärten Urlauben aufgebrochen, über deren Hintergründe er selbst Yu im Ungewissen gelassen hatte. Außerdem hatte er unter Zhao schon einmal in einem politisch höchst sensiblen Fall ermittelt.
    »Zhao hat nichts dergleichen angedeutet«, erwiderte Chen. »Erinnerst du dich an den Antikorruptionsfall? Damals hat er mir einen Sonderurlaub versprochen. Und dieses Versprechen hat er jetzt eingelöst.«
    »Gut zu hören, Chef. Dann genieß die Ferien. Ich werde dich nur im Notfall stören.« Dann fügte Yu noch hinzu: »Übrigens hast du einen Verehrer in Wuxi. Einen gewissen Huang Kang, ein junger Absolvent der Polizeiakademie. Ich habe ihn vor zwei, drei Monaten bei einer Versammlung getroffen. Er hat mich nach Geschichten über dich gelöchert.«
    »So, so.«
    »Er würde es mir nie verzeihen, wenn ich ihm deinen derzeitigen Aufenthaltsort vorenthielte.«
    »Lass mir erst mal ein paar Tage meine Ruhe. Sobald er davon weiß, kommen womöglich noch andere daher – mit oder ohne Fall. Dann ist es vorbei mit der Erholung. Aber du kannst mir ja seine Nummer geben«, fügte er hinzu. »Dann rufe ich ihn bei Gelegenheit an und sage, du hättest darauf bestanden.«
    Chen notierte sich die Nummer. Keine Eile. Das konnte er immer noch am Ende seines Urlaubs erledigen.
    Dann schlug er das Taschenbuch mit dem vielversprechenden Titel An Unsuitable Job for a Woman auf, das ein Verleger in Guangxi unbedingt von ihm übersetzt haben wollte. Krimis erfreuten sich wachsender Beliebtheit auf dem Buchmarkt, und die Konditionen des Übersetzervertrages waren gar nicht schlecht. Allerdings reichte das Honorar bei weitem nicht an die Beträge heran, die er bei Fachübersetzungen für seine reichen Geschäftsfreunde verdiente.
    Er hatte kaum mehr als zwei oder drei Seiten gelesen, als er merkte, dass sich ein weiterer Gast im Lokal einfand.
    Er blickte auf und sah eine schlanke junge Frau, die ihn diskret musterte; dabei bog sich ihr Hals wie eine Lotosblüte in kühler Brise.
    Er schätzte sie auf Mitte zwanzig. Sie trug einen schwarzen taillierten Blazer über einer weißen Bluse, Jeans und dazu schwarze Pumps. Über ihrer Schulter hing eine Tasche. Sie ignorierte das Verbot, eigene Speisen und Getränke mitzubringen, und setzte sie sich mit ihrer Wasserflasche an einen der Nachbartische, griff sich die Speisekarte und rief: »Ich bin da, Onkel Wang!«
    »Komme gleich!«, antwortete der Alte und streckte den Kopf aus der Küchentür. »Musst du sogar am Wochenende arbeiten, Shanshan?«
    »Wollte nur einen neuen Versuch im Labor kontrollieren. Da hat es Komplikationen gegeben. Aber mach dir keine Gedanken, ein paar Stunden am Nachmittag, dann bin ich fertig.«
    Die junge Frau war ganz
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher