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Tödliches Wasser: Roman (German Edition)

Tödliches Wasser: Roman (German Edition)

Titel: Tödliches Wasser: Roman (German Edition)
Autoren: Qiu. Xiaolong
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sich ein Arbeitszimmer mit deckenhohen Bücherregalen, in denen verloren einzelne Bände standen, und einem Schreibtisch, auf dem ein nagelneuer Laptop lag. Auch dieses Zimmer verfügte über große Fenster, doch sie gingen zur Auffahrt und zum Hügel hinaus.
    Chen begann, im Wohnzimmer auf und ab zu gehen; wann immer er dabei den apricotfarbenen Perserteppich verließ, hallten seine Schritte in dem großen Haus nach.
    Nach einer Weile entschloss er sich, in dem riesigen Badezimmer mit Seeblick ein Bad zu nehmen. Von dem Silbertablett auf dem Beistelltischchen in der Wohnzimmerecke nahm er sich eine Flasche Perrier und ein Glas mit.
    Während er in der Wanne lag und den perlenden Luftblasen in seinem Mineralwasserglas zusah, fühlte er sich eins werden mit dem See dort draußen. Ab und an drang das Quaken eines Frosches vom Hügel zu ihm herein. Auch vernahm er das angenehme Murmeln einer Kaskade, die er allerdings noch nicht gesehen hatte. Als er hinaussah, identifizierte er als Quelle dieser flüchtigen Melodie einen winzigen Lautsprecher, der in einem Felsen unter seinem Fenster versteckt war. Eine geniale Idee. Aber war eine solche Illusion hier überhaupt nötig?
    Wie so oft in letzter Zeit fühlte er sich ausgebrannt. Eine Sonderermittlung nach der anderen hatte ihn über Monate hinweg nicht zur Ruhe kommen lassen. Er war wirklich urlaubsreif. Der Aufenthalt hier würde ihn, zumindest zeitweise, von seiner Verantwortung und seinen Pflichten ablenken. Und im Moment stand in der ihm unterstellten Abteilung für Spezialfälle des Shanghaier Polizeipräsidiums nichts Besonderes an, außerdem war Wuxi nur eine Zugstunde von Shanghai entfernt, im Notfall konnte er rasch zurück sein. In der Zwischenzeit würde sein langjähriger Partner, Hauptwachtmeister Yu Guangming, die Stellung halten.
    Es dauerte nicht lange, da überkam den Oberinspektor in seinem Wannenbad ein Gefühl der Einsamkeit, das von dem überdimensionierten, leeren Gebäude um ihn herum noch verstärkt wurde.
    Die Luftblasen hatten sich aus dem französischen Mineralwasser verflüchtigt. Er stieg aus der Wanne, zog sich an, steckte ein Taschenbuch ein und ging nach draußen.
    Wie die Empfangsdame erklärt hatte, war das Erholungsheim durch einen Hinterausgang mit dem Park verbunden. Dort sah Chen Touristen durch den Zaun auf die Villa deuten und ihre Kameras auf sie richten. Um nicht ebenfalls fotografiert zu werden, ging er rasch weiter und folgte einer schmalen, menschenleeren Straße in Richtung Stadtzentrum.
    Vermutlich war er bei seiner Ankunft hier entlanggekommen, doch vom Taxi aus hatte er kaum etwas gesehen. Hinter dem mauergleichen Zaun fiel der ungepflegte, mit Büschen bewachsene Hang zu einer breiteren Straße hin ab, auf der einige Autos vorbeirasten. Dahinter erhob sich eine Hügelkette; Wegweiser versprachen Touristenattraktionen.
    Dann mündete die Straße in einen kleinen Platz mit Bushaltestelle. An einem Stand, umgeben von einfachen Tischen und Bänken, konnte man Tee trinken; in einem pavillonartigen Kiosk mit zinnoberroten Säulen wurden Andenken feilgeboten. Eben stieg eine Touristengruppe aus einem grauen Bus. Viele der Ausflügler hielten Pläne mit den lokalen Sehenswürdigkeiten in der Hand. Offensichtlich befand sich der kleine Platz in unmittelbarer Nähe zum Park.
    Chen empfand eine angenehme Anonymität, während er selbst mit seinem Touristenplan umherwanderte, den er bei der Ankunft am Busbahnhof erstanden hatte.
    Er war jahrelang nicht mehr in Wuxi gewesen, und die Stadt hatte sich seit einem Ausflug in Kindertagen, noch in Begleitung seiner Eltern, stark verändert. Damals hatten sie in der Umgebung zwar eine Sehenswürdigkeit nach der anderen abgeklappert, doch in der Stadt selbst war er noch nie gewesen.
    Bald verlor er trotz der Karte, die offenbar nicht auf dem neuesten Stand war, die Orientierung. Ähnlich wie Shanghai hatte Wuxi sich in den letzten Jahren dramatisch gewandelt. Immer wieder stieß er auf neue Straßennamen, die nicht in seinem Plan verzeichnet waren.
    Doch das störte ihn wenig. Falls er nicht zurückfand, konnte er immer noch ein Taxi nehmen. Er ging gern zu Fuß, zumal hier, wo es viel zu sehen gab; die Rolle des Touristen war neu für ihn. Man hatte sie ihm ebenso aufgedrängt wie die Polizeilaufbahn, die er nach dem Universitätsabschluss begonnen hatte.
    An einem Eckladen, der vierundzwanzig Stunden geöffnet hatte, bog er in eine Seitenstraße ab. Wenngleich schäbig und düster, entsprach
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