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Tödliches Wasser: Roman (German Edition)

Tödliches Wasser: Roman (German Edition)

Titel: Tödliches Wasser: Roman (German Edition)
Autoren: Qiu. Xiaolong
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Sie hier für mich getan haben, Direktor Qiao. Aber die Pflicht ruft. Ihnen kann ich es ja sagen – ich muss einen Bericht für den Genossen Parteisekretär Zhao fertigstellen. Er braucht ihn für eine wichtige Sitzung in Peking. Das Erholungsheim ist ein wunderbarer Ort, aber nach dem Aufruhr, den der Fall verursacht hat, kann ich mich hier nicht mehr richtig konzentrieren.«
    »Ich verstehe, aber wenigstens ein Abschiedsbankett …«
    Hier wurde das Gespräch von einem Jungen unterbrochen, der nervös mit einem Umschlag wedelte.
    »Sind Sie Herr Chen?«
    »Ja, der bin ich.«
    »Hier ist ein Brief für Sie. Vertraulich. Sie müssen mir den Empfang mit einer Unterschrift bestätigen.«
    Solche Kurierdienste waren ein neuer Geschäftszweig in China. Man brauchte dazu lediglich ein Fahrrad oder Moped. Statt ihre Briefe mit der Post zu schicken, griffen die Leute innerhalb der Stadt immer häufiger auf solche Kuriere zurück. Ein Anruf genügte, und bald darauf war der Brief bei seinem Empfänger. Chen konnte sich jedoch nicht vorstellen, wer ihm auf diesem Wege eine Botschaft schickte.
    »Danke.« Er unterschrieb das entsprechende Formular und nahm den Umschlag, ohne ihn zu öffnen. Dann wandte er sich wieder Direktor Qiao zu.
    »Ich werde wiederkommen. Hoffentlich gilt Ihre Einladung dann noch.«
    »Aber natürlich. Wir lassen Sie mit unserem Wagen zum Bahnhof bringen.«
    »Dieses Angebot nehme ich dankend an.«
    Als er aus der Lobby trat, wartete bereits eine glänzend-schwarze Limousine auf ihn. Der Chauffeur, ein Mann mittleren Alters mit Halbglatze, fragte in respektvollem Ton: »Zum Bahnhof, mein Herr?«
    »Nein, zuerst fahren wir zum Polizeipräsidium.«

24
     
    ZWANZIG MINUTEN SPÄTER näherte sich die Limousine einem weitläufigen Betonkomplex im Zentrum von Wuxi, den ein Leuchtschild als Polizeipräsidium auswies. Es war mit einem grauen Eisengitter und zwei bewaffneten Beamten gesichert.
    »Soll ich reinfahren?« Der Chauffeur blickte zuerst auf das Tor, dann über seine Schulter.
    »Nein, ich steige hier aus. Genau hier – nicht vor dem Haupteingang.«
    »Wie Sie möchten«, erwiderte der Chauffeur verblüfft.
    »Danke. Sie können zurückfahren«, sagte Chen. »Ich nehme dann ein Taxi zum Bahnhof.«
    »Von hier gehen täglich mehrere Züge nach Shanghai«, erklärte der Chauffeur hilfsbereit. »Eine Fahrkarte bekommen Sie immer, auch fünf Minuten vor der Abfahrt noch.«
    »Vielen Dank.«
    Es war kurz vor zwölf. Chen suchte einen Platz, wo er sich hinsetzen konnte. Schräg gegenüber dem Präsidium entdeckte er ein Teehaus, von wo aus er gute Sicht auf den Haupteingang hatte. Vermutlich eines dieser neuen Lokale im Hongkonger Stil, das nicht nur Tee, sondern auch andere Getränke und kleine Snacks anbot. Auf dem Gehweg davor standen mehrere Resopaltische unter einem riesigen rosa Sonnenschirm mit Budweiser-Logo; man hatte fast den Eindruck, in einem Straßencafé zu sitzen. Chen wählte einen Tisch hinter einer Trauerweide.
    Für den Fall, dass dieses Lokal auch von Polizeibeamten frequentiert wurde, setzte er vorsichtshalber eine Sonnenbrille auf. So würde ihn außer Huang hoffentlich niemand erkennen.
    Zur Abwechslung bestellte er sich schwarzen Tee, der mit einer Zitronenscheibe serviert wurde. Über den Rand der Teetasse bemerkte er gleich neben dem Präsidium einen jener Gemischtwarenläden, die rund um die Uhr geöffnet haben. Unter dem blühenden Birnbaum vor dem Eingang herrschte reges Kommen und Gehen. Chen schlug die Beine übereinander und ließ sich in seinen Stuhl zurücksinken.
    Er hatte sich spontan entschlossen herzukommen. Nachdem sie nicht auf seine Anrufe reagiert hatte und der Genosse Parteisekretär auf die Fertigstellung des Berichts drängte, war dies vermutlich die einzige Möglichkeit, Shanshan vor seiner Rückfahrt nach Shanghai noch einmal zu sehen.
    Sie wollte sich von Jiang, der in Schwierigkeiten geraten war, verabschieden – eine Geste, die so ganz ihrem großzügigen Naturell entsprach. Chen meinte sie zu verstehen und achtete sie dafür.
    Er sah sich suchend um, konnte sie jedoch nirgends entdecken. Hoffentlich würde es ihm gelingen, sie vor ihrer Begegnung mit Jiang abzufangen. Er wollte dieses Treffen keineswegs verhindern, ihr lediglich sagen, dass er abreisen musste, aber wiederkommen würde.
    In dem Moment vibrierte sein Handy. Es war Huang.
    »Ich hab’s schon mehrmals versucht, Chef, war aber immer belegt.«
    »Ein langes Gespräch aus Peking«, erklärte
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