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Toedlicher Staub

Toedlicher Staub

Titel: Toedlicher Staub
Autoren: Massimo Carlotto
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eines der verspiegelten Fenster, durch die niemand hereinsehen konnte. Er stellte das Fernglas scharf. Als er Pierre erkannte, war er eher überrascht denn beunruhigt.
    »Den kenne ich«, sagte er. »Pierre Nazzari, Maresciallo Pierre Nazzari, der Arsch, der mich in Afghanistan fertiggemacht hat.«
    »Er hat dich erkannt … Was machen wir?«
    »Er ist kein Bulle, er wird selbst gesucht. Ich glaube, er will und kann unserer Operation nicht in die Quere kommen.«
    »Denkst du, der ist zufällig hier?« Der andere zweifelte hörbar daran.
    »Vielleicht ja, vielleicht nein. Folge ihm und versuche, es rauszufinden. Ich ergreife solange ein paar Vorsichtsmaßnahmen.«
    Ceccarello beendete das Gespräch und lächelte den beiden Maghrebinern zu, die ihn beobachteten.
    »Probleme?«, fragte der eine auf Französisch.
    »Absolut keine«, log der Ex-Offizier. »Alles läuft nach Plan.«
    Er holte eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank und öffnete sie. Während er sein Glas füllte, dachte er, dass er sich bald rächen konnte, endlich. Überrascht stellte er fest, dass er darauf nicht vorbereitet war. Er hatte mittlerweile gedacht, den Hurensohn hätte er ein für alle Mal verloren. Er hatte ihn nicht so gründlich jagen können, wie er gewollt hätte, seine verschiedenen Geschäfte hinderten ihn daran.
    Die Motoryacht löste sich langsam vom Anleger und drehte sich dem offenen Meer zu. Pierre ging zurück, doch nicht zum Auto, sondern er setzte sich an den Tisch einer Strandbar, von den Ortsansässigen die »Bar an der ersten Haltestelle« genannt. Seit jeher wird der Poetto, der Hausstrand von Cagliari, mit Hilfe von Haltestellen unterteilt. Die meisten der unzähligen Strandbesucher kommen mit dem Bus – eine Menge von bunten Badeanzügen, die in der Mordshitze ein erfrischendes Bad, ein bisschen Sonnenbräune und ein kaltes Getränk in einer der Bars suchen.
    Er bestellte sich ein Bier. Und genau das täuschte den Mann, der ihm gefolgt war. Für ihn war klar, wenn Nazzari etwas mit den Bullen zu tun hätte, würde er sie sofort anrufen, stattdessen saß er seelenruhig unter einem Sonnenschirm und blickte aufs Meer. In Wahrheit war Pierre aufgewühlt und hatte das Bier bestellt, um sich zu beruhigen. Ceccarellos Anblick hatte ihn an Afghanistan erinnert und alle anderen Gedanken sofort verdrängt, denn dort unten war sein Leben kaputtgegangen.
    Nazzari und Ceccarello waren einst Geschäftspartner gewesen, im Sold eines örtlichen Warlords, der verhindern wollte, dass die Aktivitäten der italienischen Truppen seinen im Operationsgebiet gelegenen Opiumanbau störten. Dann verriet Ceccarello dem afghanischen Chef den Namen des Informanten eines anderen Militärs. Der Mann wurde umgebracht, mitsamt seiner ganzen Familie. Leider hatte er Nazzari regelmäßig Schwarzen Afghanen beschafft, den Pierre seinerseits an die Fallschirmjäger der Fremdenlegion verkaufte, die ihn wiederum in die Flieger nach Frankreich luden. Die beiden Partner zerstritten sich deswegen, Pierre verlor den Kopf, packte sein Maschinengewehr beim Lauf, schlug Ceccarello erst nieder und zerschmetterte daraufhin sein rechtes Bein. Er ließ sich von den Legionären aus dem Lager schmuggeln und floh über Pakistan nach Kroatien. Dort glaubte er sicher zu sein, da die Sache es nie in die Zeitungen geschafft hatte. Ganz und gar beruhigt war er allerdings erst, als er von seinen französischen Freunden erfuhr, dass Ceccarello aus dem italienischen Krankenhaus verschwunden war, nachdem man ihn gewarnt hatte, dass die Staatsanwaltschaft einen Haftbefehl gegen ihn vorbereitete. Obwohl die Sache nie publik geworden war, hatte sie ihren gesetzlich vorgeschriebenen Lauf genommen, und Pierre war in Abwesenheit zu glatten zwanzig Jahren verurteilt worden.
    Unterdessen war er in Dubrovnik im Hause von Zlatka untergekommen, einer Kellnerin in den Vierzigern, die er in seinem Stammlokal kennengelernt hatte. Sie hatten begonnen, miteinander zu plaudern, und waren schließlich im Bett gelandet. Nicht die große Liebe, eher die Begegnung zweier, die nach Zuneigung dürsteten. Sie hatte eine missglückte Ehe hinter sich, er fühlte sich wie ein Schiffbrüchiger, der sich ein neues Leben aufbauen musste. Zum Glück hatte er einige Ersparnisse, damit konnte er sich das Schweigen und die Hilfe eines örtlichen Polizisten erkaufen und brauchte nicht zu arbeiten.
    Eines Morgens, er frühstückte gerade in der Bar, tauchten zwei Italiener auf, setzten sich an seinen Tisch und
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