Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tödlicher Mittsommer

Tödlicher Mittsommer

Titel: Tödlicher Mittsommer
Autoren: Viveca Sten
Vom Netzwerk:
ihre Schwimmübungen absolvierten.
    Mit vielen der Eltern war sie außerdem selbst als Kind in die Schwimmschule gegangen, deshalb kannte sie die meisten. Damals konnte keine Rede davon sein, in temperierten Becken schwimmen zu lernen und sich hinterher in der Sauna aufzuwärmen. Damals ging man bibbernd bei Fläskberget ins Wasser, dem Strandstück auf der Nordseite der Insel, wo der Schwimmunterricht stattfand, bevor das Freibad gebaut wurde.
    Sie erinnerte sich noch, wie eisig es ihr immer vorgekommen war. In sechzehn Grad kaltem Wasser hatte sie ihre Schwimmabzeichen gemacht. Die lagen immer noch irgendwo herum, wahrscheinlich im Haus ihrer Eltern, das nur ein paar hundert Meter entfernt stand.
    Nora ging ins Bad, um sich fertig zu machen. Während sie die Zähne putzte, betrachtete sie schläfrig ihr Spiegelbild. Zerzaustes, rotblondes Haar, Pagenschnitt. Stupsnase. Graue Augen. Durchtrainierte Figur, knabenhaft würden manche vielleicht dazu sagen.
    Sie war recht zufrieden mit ihrem Aussehen. Jedenfalls meistens. Am besten fand sie ihre langen, durchtrainierten Beine, das Ergebnis von jahrelangem Joggen. Sie konnte beim Laufen so gut denken. Ihre Brüste waren kaum etwas, womit sie prahlen konnte, schon gar nicht nach zwei Kindern, aber es gab heutzutage ja Push-up- BH s. Die halfen immer ein bisschen.
    Während sie duschte, dachte sie darüber nach, was sich auf Sandhamn alles verändert hatte, seit sie als Kind in die Schwimmschule gegangen war. Im gleichen Maße, wie die Bevölkerung im Sommer anwuchs, hatte der Verkehr zur Insel zugenommen. Jetzt gab es Wasserflugzeuge, die Sommertouristen einen halbstündigen Rundflugüber die Schären anboten, und ein Hubschraubertaxi, das hungrige Gäste hinaus zum Seglerrestaurant flog. Im ehemaligen Klubhaus der Königlich Schwedischen Seglergesellschaft KSSS , das 1897 im nationalromantischen Stil erbaut worden war, befand sich ein Tagungshotel, das ganzjährig geöffnet hatte. Außerdem konnte man Kajaks und Fahrräder mieten, um die Insel zu erkunden.
    Die Schönen und die Reichen kamen gern nach Sandhamn und zeigten sich, wenn Regatten und internationale Segelcups veranstaltet wurden. Dann stieg die Gucci-Dichte um einige hundert Prozent, wie Henrik amüsiert zu sagen pflegte, wenn die große Strandpromenade vor dem Klubhaus überquoll von eleganten Damen in teuren Garderoben und älteren Herren, die ihre dicken Bäuche und noch dickeren Brieftaschen mit Nonchalance und Würde vor sich hertrugen.
    Manche murrten über die Zunahme an Verkehr und Touristen auf der Insel, aber die einheimischen Inselbewohner, die ihren Lebensunterhalt mit dem Tourismus verdienten und auf die Sommergäste angewiesen waren, standen der Entwicklung größtenteils positiv gegenüber.
    Der Kontrast zwischen den Sommermonaten, in denen zwei- bis dreitausend Urlaubsgäste sowie hunderttausend Tagesbesucher auf die Insel kamen, und den Wintermonaten mit einhundertzwanzig einheimischen Inselbewohnern hätte jedoch kaum größer sein können.
    Obwohl Thomas jeden einzelnen Sommer seines Lebens in den Stockholmer Schären verbracht hatte, war er ganz gebannt davon, wie unwahrscheinlich schön sie in der klaren Morgenluft unter ihm lagen.
    Es war ein unerwartetes Privileg, mit dem Hubschrauber hinaus nach Sandhamn fliegen zu dürfen. Die Aussicht aus dem breiten Fenster war einzigartig. Die Konturen der Inseln, die wie hingestreut im glitzernden Wasser lagen, waren messerscharf. Es sah aus, als würden sie auf der Wasseroberfläche schwimmen.
    Sie waren über Nacka und weiter Richtung Fågelbrolandet geflogen. Als sie Grinda hinter sich gelassen hatten und den äußeren Schärengarten erreichten, änderte die Landschaft ihren Charakter. Das sanfte Grün des inneren Schärengartens mit Laubbäumen und offenen Wiesen wechselte über zu steinigen Inseln und Schären mit niedrigen, windgepeitschten Kiefern und nackten Klippen.
    Als sie auf der Höhe von Runmarö waren, öffnete sich die charakteristische Sandhamnsbucht vor ihnen – eine dichte Ansammlung von roten und gelben Häusern genau an der Stelle, wo der Sund zwischen Sandhamn und Telegrafholmen begann.
    Thomas wurde ihn nie müde, diesen ersten Blick auf die vertraute Silhouette der kleinen Siedlung weit draußen im Meer. Sie war schon Ende des sechzehnten Jahrhunderts Zoll- und Lotsenstation gewesen, hatte russische Heerzüge und eisige Winter überstanden, die Anfänge der Dampfschifffahrt und die Isolation der Kriegsjahre. Und immer noch
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher