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Tödliche Pralinen

Tödliche Pralinen

Titel: Tödliche Pralinen
Autoren: Léo Malet
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aber weniger
stabil. Aus dem Heckfenster sah ich, wie Tüten auf die Fahrbahn flogen.
Schwarze Kugeln rollten über das unregelmäßige Kopfsteinpflaster.
    „Sie sind ein blöder Hund, Monsieur Burma!“
sagte der dicke Anwalt vorwurfsvoll. „Ihre Sekretärin ist ganz anders. Sehr
nett! Hat uns bereitwillig mitgeteilt, daß wir Sie hier in der Gegend finden
würden. Natürlich wußte sie nicht, was wir von Ihnen wollen...“
    Ich zog es vor, nicht zu fragen, was sie von mir
wollten. Meine Bewacher durchsuchten mich und nahmen mir die
fünfundzwanzigtausend Francs ab, die Hélène mir gegeben hatte. Jannet riet mir,
das Geld besser gleich in den Kamin zu schreiben. Mir wurde es wieder schwarz
vor Augen. Nein, es ging mir überhaupt nicht gut.
     
    * * *
     
    Und mir ging es noch viel schlechter, als ich
nach einer endlosen Fahrt vor Paoli saß und dieser gepflegte Herr mir verriet,
daß sich der unternehmenslustige René Galzat ebenfalls in seiner Gewalt befand.
    Ohne mich Luft holen, geschweige denn, den Mund
öffnen zu lassen, begann der Korse, mich gehörig anzuschnauzen. Ich sei ja ‘n
ganz Schlauer! Ihm fünfundzwanzig Riesen abzuluchsen, um dann meine Erkenntnisse
an diesen Journalisten weiterzuverkaufen, damit der sie in seinen Artikel
verwenden könne! Glücklicherweise habe man den Kerl schon die ganze Zeit im
Visier gehabt. Gestern habe man von seinem Sensationsartikel erfahren und ihn
kurzerhand gekidnappt. Dann sei man augenblicklich wieder losgefahren, um mich
ebenfalls hierher nach Malabry zu bringen. Vielleicht etwas brutal, aber
verdammt nochmal!, solche Schlitzohren wie mich fasse man eben nicht mit
Samthandschuhen an! Endlich mußte Paoli Luft holen, und ich konnte ihm
widersprechen:
    „Schlitzohr?!“ schrie ich. „Wissen Sie, wer hier
das Schlitzohr ist? Galzat! Wenn der sich verabschiedet, muß man drauf gefaßt
sein, daß er grade reinkommt. So offen und ehrlich ist der! Langsam kapier ich,
was gelaufen ist. Gestern war er bei mir im Hospital. Fuchsteufelswild, weil er
gemerkt hatte, daß ich ihn überwachen ließ. Hat sich irgendein ungelegtes Ei
aus unserer Unterhaltung herausgepickt und es in seinem Artikel verwendet.
Wahrscheinlich, um mich in die Pfanne zu hauen! Ich bin Ihnen wirklich dankbar,
Paoli, daß Sie eingegriffen haben. Meinen Sie, die Artikel von dem krummen Hund
machen mir Spaß?!“
    „Was weiß ich“, knurrte Jannet.
    „Galzat ist also ‘n krummer Hund, ja?“ lachte
der Korse. „Möchte wissen, was Sie dann sind, Burma! Hat Ihnen wohl nicht
gereicht, die Abreibung hier neulich, was?“
    „Gut, reden wir davon! Ich hätte Sie auf der
Stelle hochgehen lassen können. Hab ich’s getan?“
    „Nein, natürlich nicht. Aber trotzdem...“
    „Reden Sie keinen Quatsch! Was Sie mir
vorwerfen, paßt doch überhaupt nicht zu meiner philosophischen Richtung. Und
Sie wissen das, verdammt nochmal, ganz genau! Sie gelten als intelligent...
Meinen Sie nicht, daß Galzat einen Werbefeldzug in eigener Sache starten
wollte?“
    Ich aktivierte meine gesamte Halbbildung von der
Universität und die genauen Kenntnisse der Fabel vom Fuchs und vom Raben, warf
beides in einen Topf, gab noch einen Schuß Rhetorik hinzu — und der Erfolg war
perfekt! Mit dem Honig, den ich dem Gangster um den Bart schmierte, hätte man
einen ganzen Laden ausstatten können. Einen Süßwarenladen, zum Beispiel.
    Nach meinem Plädoyer herrschte einen Moment lang
Stille. Auf Paolis Konto gingen zwei oder drei Morde, aber nur, weil er nicht
anders hatte handeln können. Gezwungenermaßen, sozusagen. Wenn er sich auf
andere Weise aus der Affäre ziehen konnte, tat er’s. Er war kein Totschläger,
eigentlich eher ein treusorgender, gemütlicher Familienvater, der sich nur als
Statussymbol ein paar Leibwächter hielt. Ansonsten war er dafür, sich gütlich
zu einigen. Er war weder feige noch ein Chorknabe, sondern ein vernünftiger
Mann. Trotz der Revolver, die seine Leute auf mich richteten, fühlte ich mich
keinen Augenblick ernsthaft in Todesgefahr. Auch wenn man gute Beziehungen hat,
eine Leiche ist etwas zu Entscheidendes, zu Endgültiges. Paoli war kein Idiot.
    „Na schön“, sagte er schließlich, „ich will
Ihnen mal glauben, daß Sie mir nicht schaden wollten.“
    „Dann... kann ich jetzt gehen?“
    „Langsam, langsam. Ich versuche grade, die Sache
mit Montfleury zu vergessen. Das ist wie bei einem Frischoperierten: Er braucht
Ruhe und nochmals Ruhe... und Zeit! Die Voreiligen riskieren Kopf und
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