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Tödliche Märchen

Tödliche Märchen

Titel: Tödliche Märchen
Autoren: Jason Dark
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unbebauten Grundstücks, das er überquerte. Er erreichte eine Straße und sah bereits den dunklen Friedhof vor sich.
    Früher hätte er sich nie getraut, allein auf den Friedhof zu gehen, auch am Tage nicht. Durch Grandma Gardener war alles anders geworden. Sie hatte gerufen, und die Kinder oder Jugendlichen folgten ihrem Ruf. Bevor Jason die Straße überquerte, ließ er zwei Wagen passieren. Dann huschte er geduckt und schattenhaft über die Fahrbahn. Es war die Ostseite des Friedhofs, die er erreichte. Der Zaun wuchs auf einem breiten Steinsockel in die Höhe. Er bestand aus rostigem Eisen. Die langen Stäbe liefen an ihrer Oberseite spitz zu. Man wollte irgendwelche Typen möglichst davon abhalten, das Gelände zu betreten. Jason aber konnte klettern. Geschickt glitt er an den Stangen in die Höhe, umging auch die Spitzen und schwang sich an der anderen Seite wieder nach unten. Er landete weich, fiel aber in einen knorrigen Busch. Unter dem Gewicht brachen einige Zweige mit knackenden Geräuschen.
    Jason stand auf und schüttelte sich, als hätte man ihn mit Wasser bespritzt.
    Er lief so lange weiter, bis er einen der schmalen Wege erreicht hatte, die den Friedhof durchzogen. Sie liefen kreuz und quer, bildeten untereinander Verbindungen oder umgingen große Gräberfelder. Der Junge schaute nach vorn, wartete und hatte das Gefühl, von einer anderen Welt umgeben zu sein. Tatsächlich umgab ihn hier eine völlig fremde Welt.
    Sie war unheimlich, auch schaurig, so anders, beklemmend still. Der Wind hatte sich zur Ruhe gelegt. Nicht mehr als ein laues Lüftchen streichelte Jasons Gesicht.
    Er nahm den typischen Geruch auf.
    Nach Erde roch es, gleichzeitig auch feucht. Altes Laub lag auf dem Boden, die Nässe glänzte auf den Zweigen und Ästen der blattlosen Bäume. Auf den Wegen war das Laub geräumt worden, im Gegensatz zu den Flächen unter den Bäumen. Da lag es noch verteilt. Jason hatte mit seiner Mutter den Friedhof sehr oft besucht. Allerdings nie in der Nacht oder während einer abendlichen Dunkelheit. Obwohl er sich auskannte, hatte er seine Schwierigkeiten, sich zurechtzufinden. Um Mitternacht wollte er Grandma Gardener treffen. Schnell warf er einen Blick auf die Uhr.
    Noch fünf Minuten bis zum vereinbarten Zeitpunkt!
    Das war viel zu wenig. Er würde sich verspäten und hoffte, daß Grandma Gardener ihm dieses verzieh.
    Auf den Wegen hielt er sich nicht. Jason dachte an eine Abkürzung und lief querbeet. Irgendwann mußte er dabei einen der Hauptwege erreichen, dort kannte er sich dann besser aus. Es gab überall gewisse Orientierungspunkte, wie Wasserbecken oder kleine Denkmäler, die man sich einfach merken mußte.
    Der Junge erreichte ein frei liegendes Gräberfeld. Hier standen keine Bäume, die schützend ihre Zweige über die letzten Ruhestätten ausbreiteten. Stein neben Stein wuchs aus dem Boden. Ein schauriges Bild, makaber, von leichten Dunstschwaden umweht, den Menschen an die Vergänglichkeit erinnernd, in die er auch eintreten würde. Das Grab seines Vaters lag nicht so frei. Er war in der Familiengruft der Finleys bestattet worden. Jasons Großvater hatte sie einmal gekauft. Aber der Junge kannte das Gräberfeld. Er wußte, daß er es rechts liegenlassen mußte, um die letzte Ruhestätte des Vaters zu erreichen. Wohl war ihm nicht, als er weiterging. Der leichte Wind kam ihm plötzlich viel kälter vor. Er durchdrang seinen Anorak, kitzelte im Gesicht, spielte manchmal mit dem Laub und trieb es vor seinen Füßen her. Manche Grabsteine glänzten anders, als wären sie von innen beleuchtet worden. Die stummen Zeugen begleiteten ihn noch einige Sekunden auf seinem Weg, bis er abbog und den Pfad fand, der ihn dorthin brachte, wo die meisten Grüften standen.
    Hier kannte er sich besser aus.
    Der Untergrund war gekiest worden. Jeden seiner Schritte vernahm er jetzt sehr deutlich. Rechts und links standen die denkmalähnlichen Grabsteine, die einzelne Familien als Gruftschmuck ausgesucht hatten. Manche prunkvoll, andere kitschig oder schlicht.
    Eine Welt der stummen Toten, mit Erinnerungen versehen, die ihnen die Lebenden mit auf den letzten Weg gegeben hatten. Hier und da brannte ein einfaches Ollicht. Es machte die Szenerie eher noch unheimlicher. Das Grab der Familie Finley gehörte zu den letzten in diesem Gebiet. Es lag auf der rechten Seite des Wegs. Jason brauchte nicht mehr lange zu gehen, er zählte die Gräber jetzt bereits ab.
    Noch drei, dann hatte er es geschafft!
    Von Grandma
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