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Tödliche Fortsetzung - Bischoff, M: Tödliche Fortsetzung

Tödliche Fortsetzung - Bischoff, M: Tödliche Fortsetzung

Titel: Tödliche Fortsetzung - Bischoff, M: Tödliche Fortsetzung
Autoren: Marc-Oliver Bischoff
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nicht einmal besonders lukrativ. Doch das störte Kanther nicht. Rittka hatte es geschafft, ein lange tot geglaubtes Gefühl in Kanther zu erwecken: Neugier. Nach all den Jahren der Trostlosigkeit hatte er wieder eine Aufgabe und das Geld konnte er mehr als gut gebrauchen. Er ließ seinen Blick über die Papiere schweifen, die wild verstreut am Boden lagen. Die meisten trugen altbekannte Titel: Rechnung, Mahnung, Zahlungserinnerung.
    Vielleicht hatte der Schutzheilige der Schriftsteller, wenn es denn einen gab, gerade heute einen besonders guten Tag. Vielleicht endete seine Pechsträhne endlich. Vielleicht hatte jemand ganz oben beschlossen, nun sei die Talsohle durchschritten und es gehe wieder bergauf.  
    Kanther schloss die Augen. Es würde leicht verdientes Geld sein. Und er hatte auch schon eine Idee, wofür er es ausgeben könnte.
    *
    Nora Winter war so deprimiert über ihre Hilflosigkeit bei der misshandelten Prostituierten, dass sie beschloss, ihrer Magenschmerzen wegen das Mittagessen ausfallen zu lassen. Stattdessen ging sie ins Trainingszentrum, denn dort hing ein Boxsack, den sie sich angriffslustig als ukrainischen Zuhälter vorstellte.  
    Es tat gut, ihre Fäuste zu spüren, die sich trommelnd in das weiche Leder versenkten. Wenige Minuten später brannte ihr der Schweiß in den Augen.
    Nora prügelte so hingebungsvoll auf den Boxsack ein, dass sie Hartmann nicht kommen sah. Ihr Chef trug ein graues T-Shirt, unterhalb des Ausschnitts hatte sich ein dunkler Fleck gebildet, und um seinen Nacken lag ein Handtuch.
    »Sauer?«
    »Ziemlich!«, keuchte Nora.
    »Kollege oder Vorgesetzter?«, meinte Hartmann trocken.
    Nora lachte und unterbrach ihr Dauerfeuer. »Weder noch. Eine Kundin.«
    Als Hartmann sie zu einem Drink an der Bar des Trainingszentrums einlud, nahm Nora dankend an. Sie war erleichtert, jemanden zu haben, der die Geschichte hören wollte und ihren Frust verstand.
    »Ärgerst du dich mehr über die Prostituierte oder ihren Luden?«, wollte ihr Chef wissen, nachdem sie ihm berichtet hatte, was sich am Vormittag abgespielt hatte.
    »Am meisten ärgere ich mich über mich selbst. Für was ist denn die jahrelange Ausbildung gut, wenn ich am Ende nicht mal ein Mädchen dazu bringen kann, ihren Zuhälter in die Wüste zu schicken?«
    »Nach dem, was du mir erzählt hast, standen deine Chancen von Anfang an schlecht. Die hätte vermutlich nicht mal Alice Schwarzer dazu überreden können, ins Frauenhaus zu gehen.«
    Nora stellte sich vor, wie das Mädchen unterwürfig zu ihrem Kerl zurückkehrte. Wie ihr Zuhälter vor seinen Kumpanen prahlte: ›Eine Tracht Prügel und die spurt wie eine Eins!‹ Das Ziehen in der Magengegend setzte wieder ein, und der Gedanke daran ließ Nora grimmig zum Sandsack sehen.
    »Sie hat den Mut besessen, ihn anzuzeigen, Werner! Und dann diese Demütigung, sie mit einem Aufpasser zu uns zu schicken. Das ist einfach nicht fair. Am liebsten würde ich diesem Affen mal einen Besuch abstatten.«
    »Du darfst das nicht so nah an dich heranlassen, Nora. Ich weiß, du hast alles getan, was du konntest. Mehr kann niemand von dir verlangen.«
    Mit diesen Worten stand Hartmann auf, klopfte seiner Mitarbeiterin aufmunternd auf die Schulter und verabschiedete sich bis später.
    ›Mehr kann niemand von dir verlangen‹, hallten Hartmanns Worte in ihrem Kopf nach. In diesem Punkt teilte sie Hartmanns Auffassung nicht. Es gab jemanden, der mehr von ihr verlangen konnte: sie selbst.

3. März
    Das Taxi arbeitete sich den East Coast Parkway hinunter nach Südwesten, und wie zu jeder anderen Tages- und Nachtzeit staute sich der Verkehr auf dem achtspurigen Freeway.  
    Siegfried Bär fror. Draußen herrschten beinahe vierzig Grad und eine erdrückende Luftfeuchtigkeit, doch im Inneren des Taxis war es eisig wie in einem Kühlschrank. Durch die getönten Scheiben betrachtete er die Küstenlinie der Straße von Singapur. Die Wasserfläche leuchtete metallisch vor einem schmutzigen Horizont, am gegenüberliegenden Wagenfenster zogen die Hochhäuser des Central Business District vorbei.  
    Der Sikh, der den Wagen chauffierte, drehte das Radio noch ein wenig lauter und sang einen indischen Schlager mit. An seinem Handgelenk klimperte Goldschmuck. Das Taxi verließ den Parkway und fädelte sich in Höhe Tanjong Rhu in den neu gebauten Marina Coastal Expressway ein. Marina South war das jüngste Geschäftsviertel Singapurs und im Marina Bay Financial Centre unterhielt der Mann, den Siegfried
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