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Toechter Aus Shanghai

Titel: Toechter Aus Shanghai
Autoren: Lisa See
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waren sie für Chinesen verboten, nur Kinderfrauen mit ausländischen Kindern oder Gärtner, die die Anlage pflegten, durften hinein. Aber mit Betsy zusammen, die schon ihr ganzes Leben lang in diese Parks gegangen ist, bin ich nie ängstlich oder nervös.
    Das Café ist verraucht und düster, doch wir kommen uns in unseren schicken Kleidern nicht fehl am Platz vor. Wir gesellen uns zu einer Gruppe von Z. G.s Freunden. Tommy und May setzen sich ein wenig abseits, damit sie sich ungestört unterhalten und der hitzigen Diskussion darüber entziehen können, wem unsere Stadt »gehört« - den Briten, den Amerikanern, den Franzosen oder den Japanern? Wir sind den Ausländern zahlenmäßig weit überlegen, selbst in der Internationalen Siedlung, aber wir haben keine Rechte. May und ich machen uns gemeinhin keine Gedanken darüber, ob wir zum Beispiel vor Gericht gegen einen Ausländer aussagen dürfen oder ob sie uns in einen ihrer Clubs lassen, aber Betsy kommt aus einer anderen Welt.
    »Bis zum Ende des Jahres«, sagt sie, und ihr Blick ist dabei klar
und leidenschaftlich, »wird man von den Straßen der Internationalen Siedlung zwanzigtausend Leichen aufgesammelt haben. Jeden Tag steigen wir über diese Toten, aber ich kann keine Anzeichen dafür erkennen, dass irgendjemand von euch etwas dagegen unternimmt.«
    Betsy glaubt, dass eine Veränderung der Lage dringend nötig ist. Die Frage ist, warum gibt sie sich dann mit May und mir ab, wenn wir so bewusst missachten, was um uns herum geschieht?
    »Willst du wissen, ob wir unser Land lieben?«, fragt Z. G. »Es gibt doch zwei Arten von Liebe, nicht wahr? Ai kuo ist die Liebe, die wir für unser Land und unser Volk empfinden. Ai jen ist das, was ich vielleicht für meine Geliebte empfinde. Die eine Liebe ist patriotisch, die andere romantisch.« Er wirft mir einen kurzen Blick zu, und ich werde rot. »Können wir nicht beides haben?«
    Gegen fünf Uhr verlassen wir das Café. Betsy winkt, steigt in den Wagen ihres Vaters und wird weggefahren. Wir sagen Z. G. und Tommy Gute Nacht - beziehungsweise Guten Morgen - und rufen eine Rikscha. An der Grenze zwischen der Französischen Konzession und der Internationalen Siedlung steigen wir wieder in eine andere Rikscha um, und dann rumpeln wir über die Pflastersteine den restlichen Weg nach Hause.
    Die Stadt ist wie ein Ozean, sie schläft nie. Die Nacht weicht zurück, und jetzt setzt die Flut der morgendlichen Rituale und Rhythmen ein. Die Fäkaliensammler schieben ihre Karren durch die Gassen und rufen: »Leert eure Nachtöpfe aus! Hier kommt der Sammler!« Shanghai mag die erste Stadt gewesen sein, in der es Strom, Gas, Telefone und fließend Wasser gab, aber was die Kanalisation betrifft, sind wir rückständig. Die Bauern zahlen jedoch Höchstpreise für unsere Fäkalien, weil sie wegen unserer Ernährung so reichhaltig sind. Nach den Fäkaliensammlern werden die Frühstücksverkäufer mit ihren Waren kommen: Brei aus Hiobstränensamen, Aprikosenkernen und Lotuskernen, gedämpfte Reiskuchen mit Kartoffelrose und weißem Zucker, Eier, die sie in Teeblättern und fünf Gewürzen ziehen ließen.

    Zu Hause angekommen, bezahlen wir den Rikschafahrer. Wir heben den Riegel des Tors zu unserem Haus an und gehen über den Weg zur Eingangstür. Die Feuchtigkeit der Nacht verstärkt den Duft der Blumen, der Büsche und der Bäume, und wir sind trunken von dem Jasmin, den Magnolien und den Zwergkiefern, die unser Gärtner züchtet. Wir steigen die Steinstufen hinauf und gehen unter einem geschnitzten hölzernen Gitter hindurch, das böse Geister abhält - ein Zugeständnis an Mamas Aberglauben. Unsere Absätze klappern laut auf dem Parkettboden im Eingang. In dem Salon links brennt Licht. Baba ist wach und wartet auf uns.
    »Setzt euch und schweigt!« Er zeigt auf die Sitzbank ihm gegenüber.
    Ich tue, was er sagt, falte die Hände im Schoß und kreuze die Beine in Höhe der Knöchel. Falls wir in Schwierigkeiten stecken, hilft es, sittsam zu schauen. Seine Nervosität der letzten Wochen hat sich in etwas Hartes, Unbewegliches verwandelt. Die Worte, die er nun sagt, verändern mein Leben für immer.
    »Ich habe für euch beide Ehen arrangiert«, sagt er. »Die Zeremonie findet übermorgen statt.«

MÄNNER VOM GOLDENEN BERG
    Sehr witzig!« May lacht zaghaft.
    »Ich mache keine Witze«, sagt Baba. »Ich habe Ehen für euch arrangiert.«
    Ich kann immer noch nicht ganz begreifen, was er da sagt. »Was ist denn los? Ist Mama
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