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Todesläufer: Thriller (German Edition)

Todesläufer: Thriller (German Edition)

Titel: Todesläufer: Thriller (German Edition)
Autoren: Frédéric Mars
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Verkehrsbehörde MTA kniete neben ihm und versuchte, seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Seine Lippen bewegten sich langsam, als seien sie mit den Worten, die aus seinem Mund kamen, nicht synchron.
    »Ich bringe Sie jetzt in die stabile Seitenlage, bis der Rettungswagen kommt«, erklärte der Mann.
    Wortlos wies Sam das Angebot zurück und rappelte sich schwerfällig auf. Als er stand, versuchte er sich nicht zuerst im Raum zu orientieren, sondern in der Zeit. Seine alte Omega, ein Erbstück seines Großvaters, die man jeden Tag aufziehen musste, zeigte 8 Uhr 33 an. Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte die Explosion genau um 8 Uhr 30 stattgefunden.
    Ob das Zufall war?
    Die Zeit war in den letzten Jahren nur so gerast.
    Obwohl er auch 2001 schon bei der Polizei arbeitete, hatte er von Sirenen, Staub, Schreien, Panik und Blut nichts mitbekommen … Er war erst sehr viel später am Schauplatz des Geschehens gewesen, um gemeinsam mit den anderen zu klagen, zu weinen und in stillem Gedenken zu verharren. Er hatte Tränen vergossen, sich Vorwürfe gemacht und jeden Tag ein wenig getrauert.
    Er hörte das Klingeln seines Telefons wie durch einen dichten Vorhang aus schwerem Stoff. Endlich nahm er den Anruf an.
    »Es reicht. Du hast schon wieder vergessen, mir meine zwanzig Dollar hinzulegen!«
    »Grace … Grace, bist du das, Kleines?«
    »Wer denn sonst?«
    »Niemand … ich …«
    »Daddy, was hast du? Du klingst so sonderbar.«
    Damals war sie noch ein Kind gewesen, hatte aber wie alle anderen die Bilder im Fernsehen mitbekommen. Sam hatte sie vor der Flut von Medienberichten nicht bewahren können, vor der faszinierenden Macht eines Schauspiels von der Art, wie man es sonst nur im Kino zu sehen bekam. Es war, als hielte sich die Wirklichkeit mit einem Mal an ein von Roland Emmerich umgesetztes Hollywood-Drehbuch. Zwei Jahre lang hatte Grace die Videos immer wieder angeschaut. Dabei war das noch die Zeit vor YouTube gewesen, als es noch nicht so leicht war, auf ein Überangebot an Filmen zuzugreifen.
    »Ach, es ist nichts … Am Union Square hat es gerade Ärger gegeben … Aber ich komm damit schon klar.«
    »Du ›kommst damit klar‹? Was soll denn der Spruch? Was ist passiert?«
    Später hatte er eine Phase der Verweigerung durchlebt und auf diese war, ganz wie von den Polizeipsychologen vorausgesagt, die dritte Stufe gefolgt. Grace war seine »kleine Mum« geworden, sie hatte sich um ihn gekümmert und ihn geheilt, indem sie aus der Schule erstklassige Noten nach Hause brachte und ihn mit selbstgebackenem Kuchen verwöhnte. Das ging so lange, bis sie in der Pubertät rebellisch geworden war und sich mit anachronistischer, ja geradezu religiöser Hingabe und Ernsthaftigkeit den verschiedensten Anti-Bewegungen zugewandt hatte. Diese Phase hielt auch jetzt, kurz vor dem Ende ihrer Schulausbildung, noch an.
    Sam hätte es viel lieber gesehen, wenn sie gegen ihn aufbegehrt und jeden Unsinn gemacht hätte, der in diesem Alter üblich ist. Dass sie ihm ihre Verbitterung und ihren Kummer ins Gesicht geschrien hätte, anstatt sie unter ihren Kuchen und ihrem Gerede über die Finanzblase oder die Umweltzerstörung zu begraben.
    »Dad, antworte mir! Was ist das für ein Gebrüll im Hintergrund?«
    Tatsächlich, rings um ihn herum waren Schmerzens- und Entsetzensschreie zu hören. Das war ihm bisher nicht aufgefallen. Ohne dass es ihm bewusst geworden war, hatte ihn der Latino von der MTA am Arm bis zu seinem Dienstzimmer geführt. Ein enger Raum nahe der Erdoberfläche, der von der Explosion offenbar verschont geblieben war. Dort lag bereits ein gutes Dutzend Verletzter, und eine Krankenschwester eilte, erstaunlich flink angesichts ihrer Körperfülle, von einem zum anderen, um die dringendsten Fälle zu versorgen. Man durfte sich jedoch keinen falschen Hoffnungen hingeben: Wer nicht da war, also die Mehrheit, war vermutlich nicht transportfähig.
    »Ich ruf dich wieder an«, beendete Sam das Gespräch und klappte sein Telefon zu.
    Die rundliche Krankenschwester beugte sich über ihn und betrachtete seine Kopfwunde, aus der ein Blutfaden lief.
    »Wollen wir uns das doch mal näher ansehen.«
    Sie arbeitete mit raschen, sicheren Bewegungen. Mit erhobener Hand bedeutete er ihr, dass er keinen Verband wolle, und so begnügte sie sich damit, nachdem die Wunde desinfiziert und gesäubert war, mit sanfter Hand eine Mullkompresse aufzulegen, die sie mit Heftpflaster fixierte.
    Die Bergungstrupps hatten Debbys Leiche 2001 nicht
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