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Todesinstinkt

Todesinstinkt

Titel: Todesinstinkt
Autoren: Heyne
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auf keinen Fall reparieren zu lassen. Die Bank kann von einem Mahnzeichen reden, aber wenn sie die Löcher ausbessern, verhaftet er die Verantwortlichen wegen Zerstörung von Beweismitteln.« Littlemore spähte hinaus aufs Meer. »Wo bleibt denn das Schiff?«
    »Hat wohl Verspätung.«
    »Merkwürdig.« Littlemore wirkte nachdenklich. »Die Leute vergessen den sechzehnten September schon wieder. Als es passiert ist, hatten alle das Gefühl, dass nichts mehr so sein wird wie früher. Das Land war wie erstarrt. Mit einem Schlag hatte sich alles verändert.«
    »Wenigstens sind wir nicht in den Krieg gezogen. Ein inszenierter Krieg gegen ein Land, das nichts mit den Anschlägen zu tun hat. Wer weiß, welchen Preis wir dafür bezahlt hätten, wenn Sie das nicht verhindert hätten.«
    »Ja — eigentlich müsste ich berühmt sein«, meinte Littlemore. »Stattdessen bin ich pleite.«
    »Wir könnten nach Indien gehen.«
    »Warum ausgerechnet Indien?«
    »In Indien ist Armut heilig.« Younger trat seine Zigarette aus. »Also wird niemand bestraft. Für den Anschlag.«
    »Würde ich nicht so sagen. Wann haben wir beide Drobac zum ersten Mal gesehen?«
    »Im Commodore Hotel, nach Colettes Entführung«, antwortete Younger.
    »Nein.«
    Younger schüttelte den Kopf. »Wo dann?«
    »Als wir am sechzehnten September auf der Nassau Street
unterwegs waren — Sie, die Miss und ich –, ist ein Pferdegespann an uns vorbeigekommen. Erinnern Sie sich nicht? Ungefähr drei Minuten vor der Explosion. Die Ladung war so schwer, dass der Gaul sie kaum ziehen konnte. Drobac war der Kutscher.«
     
    B onjour«, sagte Luc und schaute seine Schwester an.
    Es war Abend geworden, ehe die Susquehanna mit zwölf Stunden Verspätung einlief. Der Junge, adretter und sauberer, als ihn Younger je gesehen hatte, war gerade die Landungsbrücke herabgekommen und an der Hand von Oktavian Kinsky in das helle elektrische Hafenlicht getreten. Weder Sterne noch der Mond waren zu sehen. Die Wolkendecke war zu dicht.
    Einen Augenblick lang war Colette völlig gelähmt. Seit sechs Jahren war dies das erste Wort, das ihr Bruder an sie gerichtet hatte. Sie konnte die Stimme nicht mit Luc in Verbindung bringen, sie war zu erwachsen, zu selbstsicher, als wäre ein Fremder in den Körper ihres Bruders geschlüpft und würde mit seinem Mund reden. Dann wurden die Stimme, die ruhigen Augen und das ernste Gesicht zu einer Einheit: Er war es.
    Sie öffnete die Arme und umschlang ihn. »Bonjour? Wie kann es mitten in der Nacht bonjour sein, du Dussel? Und dein Haar — du hast es dir schneiden lassen!«
    Luc nickte feierlich.
    Oktavian begrüßte Younger und Colette wie lange vermisste Freunde – die Littlemores waren schon vor Stunden aufgebrochen. »Ich will hier eine Mietwagenfirma gründen. Wie ich höre, wird über so etwas in Amerika nicht die Nase gerümpft.«

    »Ganz im Gegenteil«, versicherte Younger. »Die amerikanischen Damen werden in Scharen zu Ihnen kommen, Graf Kinsky, zumindest diejenigen, die ich Ihnen vorstellen werde. Sie lieben alles Aristokratische.«
    »Aber Sie haben die Adelstitel doch schon vor über hundert Jahren abgeschafft.«
    »Die Menschen wollen immer das, was sie nicht haben können.«
    »Ich nicht«, bemerkte Colette und blickte mit leuchtenden Augen von Luc zu ihm auf.
     
    S ie übernachteten bei Mrs. Meloney, die sie großzügig in ihr Haus eingeladen hatte. Colette hatte die Fondsbetreiberin dazu überredet, den Angestellten der Leuchtfarbenfabriken zu helfen, und Mrs. Meloney stürzte sich mit gewohntem Feuereifer in die neue Aufgabe.
    In Brightons Fabrik in Manhattan wurden die Arbeiterinnen auf Radiumspuren untersucht. Über die Hälfte der Frauen waren radioaktiv, vor allem in den Zähnen und im Kiefer; mehrere von ihnen leuchteten im Dunkeln. Das Spitzen der Pinsel mit dem Mund wurde verboten, das Tragen von Schutzhandschuhen vorgeschrieben. Man installierte Strahlungsdetektoren. Brightons Bankkonten wurden beschlagnahmt und sein Vermögen zur Unterstützung von Angestellten verwendet, die aufgrund der Arbeit in seinen Fabriken erkrankt waren.
    Younger und Colette brachten Luc zu Bett.
    »Ich muss dir etwas erzählen.« Der Junge schaute seine Schwester an.
    »Das weiß ich schon von Dr. Freud.«
    »Er hat es dir gesagt?«

    »Nur dass du mir etwas erzählen willst. Was, hat er nicht verraten.«
    »Aber jetzt, wo ich hier bin, möchte ich es dir nicht mehr erzählen.«
    »Jetzt schlaf erstmal«, erwiderte Colette. »Morgen
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