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Todeshaus am Deich

Todeshaus am Deich

Titel: Todeshaus am Deich
Autoren: Hannes Nygaard
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haltendes
Lieferfahrzeug eines Paketdienstes abgelenkt wurde. Sofort bildete sich hinter
dem Fahrzeug ein Stau, und die ersten ohnehin durch den Regen im Fortkommen
eingeschränkten Autofahrer begannen wütend zu hupen.
    »Der blockiert ja den ganzen Verkehr«, stellte
Gerlinde Scharnowski fest und blieb entgegen ihrer Absicht doch stehen, während
der Fahrer des Lieferwagens heraussprang. Die zornigen Autofahrer schienen ihn
nicht zu irritieren.
    »Wie soll der arme Kerl sonst seine Sachen
ausliefern?«, sagte Schluck-Ede.
    »Doch nicht so. Wenn das jeder machen würde. Was sagen
Sie dazu?«, wandte sich Gerlinde Scharnowski an Hassan.
    »Ja, ja.«
    Der Paketbote hatte die Tür seines Aufbaus geöffnet
und sprang jetzt mit einem Paket unterm Arm behände von der Ladefläche. Mit
einem lauten Krachen schlug er die Tür hinter sich ins Schloss und verschwand
im benachbarten Hauseingang.
    Schluck-Ede besah nachdenklich seinen Flachmann.
»Wartet Hubert nicht auf seine Brötchen?«, fragte er in Richtung Gerlinde
Scharnowski.
    Die schüttelte erbost ihr graues Haupt, als sich der
Stau hinter dem die Fahrbahn blockierenden Lieferfahrzeug weiter aufbaute und
ein Golf beim Versuch, auszuscheren, fast mit einem Mercedes kollidiert wäre,
der nicht bereit war, eine Lücke zu machen.
    »Man sollte die Polizei rufen«, schimpfte die Frau.
    »Die kommen doch nicht bei solchem Wetter«, sagte
Schluck-Ede lachend. Dann war sein innerer Widerstand gebrochen, und er nahm
den restlichen Schluck aus seinem Flachmann. Er reichte Hassan die leere
Flasche und wollte sich am Ladenbesitzer vorbei hinaus auf die Straße zwängen.
»Macht’s gut, Leute«, sagte er leise. »Morgen auf ein Neues.«
    Der Regen war ein wenig heftiger geworden, sodass er
entgegen seiner Absicht noch in der Eingangstür des Zeitungsladens verharrte.
»So ein Schietwetter«, stellte er fest. Die drei standen eine Weile stumm da,
bis der Paketbote aus der Haustür gerannt kam und sich gehetzt umsah. Er nahm
die drei Leute im Eingang wahr und stürzte auf sie zu. Seine Haare hingen ihm
in die Stirn und bedeckten fast die Augen, aus denen das tiefe Erschrecken
sprach.
    »Da liegt einer. Da oben. Da ist ganz viel Blut.«
    Im ersten Augenblick herrschte Schweigen. Gerlinde
Scharnowski sah den Zusteller mit großen Augen an. Schluck-Ede gewann als
Erster die Fassung zurück. »Ehrlich?«, fragte er.
    »Na klar. Ich wollte das Paket abgeben. Beim
Italiener. Das Büro ist in einer ganz normalen Wohnung untergebracht. Weil
niemand öffnete und die Tür nur angelehnt war, bin ich rein. ›Hallo‹, hab ich
gerufen. Und im großen Zimmer lag er – der Mann. Rundherum alles voller Blut.«
    »Ist ja ‘n Ding«, murmelte Schluck-Ede.
    »Wir müssen die Polizei rufen«, sagte Gerlinde
Scharnowski entschlossen.
    »Das wollten Sie doch sowieso«, erwiderte Schluck-Ede.
»Der da oben – das ist wenigstens ein triftiger Grund, dass die Brüder auch bei
solchem Wetter raus müssen. Oder was meinst du, Hassan?« Er drehte sich dabei
zum Ladenbesitzer um.
    »Ja – ja«, antwortete der automatisch. Dann gab er
sich einen Ruck und verschwand hinter seinem Verkaufstresen. »Ich bin schon
unterwegs«, sagte er.
    »Das ist Frauke Dobermann. Herzlich willkommen in
Hannover.«
    Kriminaloberrat Michael Ehlers lehnte sich zurück und
wies mit der ausgestreckten Hand auf die Frau mit der etwas zu spitzen Nase,
der Brille und dem nackenlangen mahagonirot gefärbten Haar.
    Frauke nickte dem Leiter der Abteilung für
organisierte Kriminalität im Landeskriminalamt zu, während sie von den anderen
fünf Personen neugierig begutachtet wurde.
    Es war ein karg wirkender Raum, in dem die Mitarbeiter
dieser Schwerpunktabteilung ihre Dienstbesprechungen abhielten. Die Wände waren
ein wenig abgestoßen und hätten einen neuen Anstrich gut vertragen können.
Irgendjemand hatte einen Wandkalender angebracht, der einen Sportwagen mit
einem rasanten Fotomodell zeigte und für einen Mineralölkonzern warb. An der
Querwand hing ein Werbeplakat, das Nachwuchskräfte für den Eintritt in den
Polizeidienst ansprechen sollte und von einer verantwortungsvollen
Lebensaufgabe sprach und dabei in rosigen Farben die Vorzüge dieses Berufs
ausmalte. Mit dickem Filzstift hatte jemand »Lügen ist die Vorstufe des
Betruges« darunter gepinselt. Ein Whiteboard war der dritte Wandschmuck. Neben
dem Tisch mit der Kunststoffplatte und acht Stühlen zierte lediglich ein
einsames Flipchart den Raum, wenn man von den
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