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Todesgruß vom Gelben Drachen

Todesgruß vom Gelben Drachen

Titel: Todesgruß vom Gelben Drachen
Autoren: Stefan Wolf
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Besuchern. Am Kiosk herrschte Hochbetrieb. Ein junger Arzt eilte
vorbei. Das elektronische Rufgerät in seiner Kittel-Brusttasche piepte. Ein
winziger Dackel, den eine korpulente Frau in ihre Einkaufstasche gesteckt
hatte, bellte.
    Tim trat zum Auskunftschalter.
    Der Portier, der wie ein Sanitäter
gekleidet war, sah in der Liste nach, fertigte währenddessen zwei Anrufer ab
und teilte Tim mit, Adelheid von Tipperitzki liege auf Station IV, zweiter
Stock.
    „Mußt dich bei der Stationsschwester
melden, junger Mann.“
    Der ‚junge Mann’ dankte.
    Als die vier Freunde in den Lift
stiegen, eilte ein Mann herbei, ein Besucher. Er schnaufte, hatte einen
Blumenstrauß, der dreimal so umfangreich war wie Gabys Bukett, und trug
Handschuhe. Im Lift war wenig Platz, aber der Mann drängte sich herein.
    Tim musterte ihn, weil es gerade nichts
Interessanteres gab.
    Der Mittfünfziger zeigte, daß er mit
seinem Konto-Stand angeben konnte. Die klotzige Figur wurde umhüllt von einem
hirschfarbenen Kaschmir-Mantel. Den weißen Seidenschal hätte man auch als
Schleppe für ein Brautkleid verwenden können. Der schwarze Hut verfügte über
eine Krempe, auf der rundum fünf Krähen sitzen konnten — oder elf Amseln.
    Der Typ hatte Wulstlippen und kleine,
eisgraue Augen.

    Erst starrte er Gaby an. Aber sie
erwiderte den Blick nicht. Dann kam Tim an die Reihe.
    Doch schon hielt der Lift, und der Typ
drängte sich an Karl und Klößchen vorbei zur Tür.
    Station IV lag direkt gegenüber.
    Der Mann stürmte darauf zu. Dabei
schwenkte er den Blumenstrauß. Ein Ende des Seidenschals hing über die linke
Schulter auf den Rücken.
    „Ich muß der Schwester sagen, daß sie
die Blumenstengel nochmal schneidet“, meinte Gaby. „Dann bleibt die
Blütenpracht länger frisch.“
    „Hoffentlich hat die Karbolmaus ein
Messer“, feixte Klößchen. „Sonst muß der Chirurg (Facharzt für Operationen) aushelfen mit seinem... Wie nennt man den Dolch?“
    „Skalpell“, erwiderte Karl. „Aber halt
jetzt den Rand. Das ist nicht der Ort für solche Witze.“
    Station IV begann hinter einer
zweiflügeligen Milchglastür. Ein endloser Flur erstreckte sich bis zu einem
fernen Etagenfenster, an dem eine Zimmerpalme vor sich hin kümmerte. Hinter der
Scheibe wallte Nebel.
    Die zweite Tür links war geöffnet: das
Stationszimmer.
    Der Mann mit dem Blumenstrauß sprach
hinein — zu jemandem, der noch nicht im Blickfeld der TKKG-Bande war.
    „...ist mein Name Eduard Preff. Ich
möchte Frau von Tipperitzki besuchen. Welches Zimmer?“
    „Das ist leider nicht möglich“,
erwiderte eine Frauenstimme. „Frau von Tipperitzki ist noch nicht bei
Bewußtsein.“
    „Was? Noch nicht?“ Er hatte einen
knarrigen Ton drauf. Das Feistgesicht wirkte empört.
    Die Schwester schwieg.
    Tim hatte ihre Stimme erkannt.
Schwester Isabell klang genau wie am Telefon.
    „Ärgerlich“, knurrte Preff. „Sie ist
nämlich eine alte Bekannte von mir. Besonders eine alte... hähäh. Was meinen
Sie: Behält sie einen Dachschaden zurück? Oder kriegt sie ihre fünf Sinne
wieder zusammen?“
    Schwester Isabell holte zweimal tief
Luft.
    Preff klemmte sich die Blumen unter den
Arm, streifte die Handschuhe ab und suchte nach seinem Taschentuch.
    „Die Blumen können Sie hier lassen“,
sagte Schwester Isabell mit beherrschter Stimme. „Ist stelle sie Frau von Tipperitzki
ans Bett.“
    Preff schneuzte sich wie ein
trompetender Elefant. Einer der Handschuhe fiel zu Boden.
    „Ja, richtig“, meinte er. „Das Gemüse
lasse ich hier.“
    Er säuberte sich die Nasenlöcher.
    Gaby beugte sich dicht an Tims Ohr und
hauchte: „Den kenne ich. Vom Namen. Ich erzähle es gleich.“
    Tim nickte und schlenderte weiter, bis
er hinter Preff stand. Ohne daß jemand es bemerkte, kickte er den Handschuh
unter ein Patientenbett, das — leer natürlich — neben der Tür an der Wand
stand.
    Über Preffs Schulter äugte Tim ins
Stationszimmer.
    Isabell sah aus wie eine hübsche
Spanierin, etwa aus der Landschaft Andalusiens. Das Gesicht drückte Ablehnung
aus.
    Preff verstaute sein Taschentuch,
murmelte was von Erkältung — hähäh — und händigte die Blumen aus.
    „Einen schönen Gruß von mir, falls sie
aufwacht. Von Eduard Preff. Haben Sie das geschnallt, Schwester? Es ist wichtig.“
    „Für uns ist wichtig, daß die Kranke
gesund wird. Falls Ihr Gruß dazu beiträgt — ich werde ihn ausrichten.“
    Preff nickte und trat einen Schritt
zurück, bevor er links schwenkte und abschritt.
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