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Tod in der Königsburg

Tod in der Königsburg

Titel: Tod in der Königsburg
Autoren: Aufbau
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Böse genau erkennen, Conchobar?« fragte Fidelma mit plötzlich erwachtem Interesse. Sie hatte kein großes Vertrauen zu Astrologen, denn ihre Wissenschaft schien allein von den Fähigkeiten des einzelnen Kenners abzuhängen, sie gestand sich aber ein, daß man von den klügsten unter ihnen etwas lernen konnte. Das Studium des Himmels,
nemgnacht,
war eine alte Kunst, und wer es sich leisten konnte, ließ sich bei der Geburt eines Kindes ein
nemindithib,
ein Horoskop, stellen.
    »Das kann ich leider nicht genau sagen. Weißt du, wo heute der Mond steht?«
    In einer so naturverbundenen Gesellschaft mußte man schon völlig unwissend oder ein Trottel sein, wenn man die Stellung des Mondes nicht kannte.
    »Wir haben abnehmenden Mond, Conchobar. Er steht im Haus des Steinbocks.«
    »Ja, und der Mond steht in Opposition zum Merkur, in Konjunktion zum Saturn und im Sextilschein zum Jupiter. Und wo steht die Sonne?«
    »Das ist leicht, sie steht im Haus der Jungfrau.«
    »Und in Opposition zum nördlichen Knoten des Mondes. Die Sonne steht in Opposition zum Mars. Saturn steht in Konjunktion zum Mond im Haus des Steinbocks, doch er steht in Opposition zum Merkur. Jupiter steht in Konjunktion zum Mittelpunkt des Himmels, aber in Opposition zur Venus.«
    »Und was bedeutet das alles?« drängte ihn Fidelma und versuchte ihm mit ihren mageren Kenntnissen in dieser Kunst zu folgen.
    »Es bedeutet, daß dieser Tag nichts Gutes bringt.«
    »Für wen?«
    »Hat dein Bruder Colgú die Burg schon verlassen?«
    »Mein Bruder?« Fidelma runzelte überrascht die Stirn. »Er brach schon vor der Morgendämmerung auf, um sich, wie verabredet, beim Brunnen von Ara mit dem Fürsten der Uí Fidgente zu treffen und ihn hierher zu geleiten. Siehst du eine Gefahr für meinen Bruder?« Plötzlich überkam sie Furcht.
    »Das kann ich nicht sagen.« Der Alte breitete verlegen die Arme aus. »Ich bin mir nicht sicher. Die Gefahr könnte sich auf deinen Bruder beziehen, doch wenn es so ist und ihm ein Leid zugefügt wird, dann wird der, der es verursacht, am Ende nicht triumphieren. Das ist alles, was ich weiß.«
    Fidelma sah ihn mißbilligend an.
    »Du sagst zu viel oder zu wenig, Bruder. Es ist unrecht, Leute zu verunsichern, ohne ihnen genug mitzuteilen, damit sie das Unheil abwehren können.«
    »Ach, Fidelma, sagt nicht das Sprichwort, daß ein schweigender Mund am lieblichsten klingt? Es wäre leichter für mich, nichts zu sagen und die Sterne ihren Lauf nehmen zulassen, als zu versuchen, ihnen ihre Geheimnisse zu entreißen.«
    »Du hast mich verstimmt, Bruder Conchobar. Jetzt werde ich mir Sorgen machen, bis mein Bruder heil zurück ist.«
    »Es tut mir leid, daß ich dich beunruhigt habe, Fidelma von Cashel. Ich bete, daß sich alles als ein Irrtum herausstellt.«
    »Die Zeit wird es uns sagen, Bruder.«
    »Die Zeit enthüllt alles«, stimmte ihr Conchobar ruhig zu und zitierte damit ein altes Sprichwort.
    Er neigte zum Abschied den Kopf und ging vorsichtig von den Zinnen hinunter, mit gebeugtem Rücken und auf einen kräftigen Weißdornstock gestützt. Fidelma blickte ihm nach, sie vermochte ihre Unruhe nicht abzuschütteln. Sie kannte Bruder Conchobar, seit sie vor dreißig Jahren auf die Welt gekommen war. Er hatte schon bei ihrer Geburt geholfen. Er schien seit ewigen Zeiten in der alten Burg von Cashel zu wohnen. Er hatte ihrem Vater, König Failbe Fland mac Aedo, gedient, an den sich Fidelma nicht erinnerte, denn er war noch in dem Jahr ihrer Geburt gestorben. Er hatte auch ihren drei Vettern gedient, die ihm in der Königswürde gefolgt waren. Nun diente er ihrem Bruder Colgú, der vor kaum einem Jahr zum König von Muman ausgerufen worden war. Bruder Conchobar galt als einer der gelehrtesten unter den Männern, die den Himmel beobachteten und Karten der Sterne und ihrer Bahnen zeichneten.
    Fidelma kannte Conchobar gut genug, um zu wissen, daß man seine Voraussagen nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte.
    Sie blickte zum trüben Himmel auf, erschauerte und stieg von den Zinnen hinab. Auf dem großen Palastgelände aufdem Kalksteinfelsen gab es viele kleine Höfe und noch kleinere Gärten. Der ganze Gebäudekomplex war von hohen Verteidigungsmauern umgeben.
    Fidelma schritt über die gepflasterten Höfe zum großen Eingang der königlichen Kapelle. Der Lärm spielender Kinder ließ sie aufblicken. Sie lächelte, als sie sah, daß einige Knaben die Wand der Kapelle für ein Spiel benutzten, das
roth-chless
oder »Radwerfen«
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