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Tod in Bordeaux

Tod in Bordeaux

Titel: Tod in Bordeaux
Autoren: Paul Grote
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die Flaschen zu kommen? Aber was sollte er tun?
    «Einen Augenblick.» Ratlos begrüßte Martin das eben eingetretene Ehepaar, gut situiert, er vielleicht Steuerberater oder Anwalt. «Was kann ich für Sie tun?»
    «Wir suchen einen erstklassigen Wein für einen Geschäftsfreund, etwas Seltenes, einen Italiener am besten, vielleicht einen Super-Toskana, aber trinkreif muss er sein ...»
    Das war die Lösung. «Dann kommen Sie am besten auch mit in den Weinkeller, wir wollen gerade hinuntergehen. Die großen Weine lagern unten - bei der richtigen Temperatur und entsprechender Luftfeuchtigkeit», fügte er gestelzt hinzu. Die Lederjacke übersetzte es und belauerte ihn.
    «Ich hole rasch die Schlüssel.» Er wandte sich zum Büro, der Korse ging ihm nach, doch Martin zog ihm lächelnd die Tür vor der Nase zu. Er vergewisserte sich noch einmal, dass nichts auf die Verkostung des Haut-Bourton hinwies.
    Mit der Lederjacke und dem Ehepaar im Schlepptau ging Martin zur Kellertreppe. «Warten Sie bitte hier, das Licht geht nur unten an.» So konnte niemand beobachten, in welcher Reihenfolge er die Schlösser öffnete.
    Im Keller hielt er einen Vortrag über die Lagerung großer Weine, erklärte die Machart der Super-Toskaner und präsentierte seine besten Kreszenzen. Die Lederjacke wich nicht von seiner Seite und unterdrückte nur mühsam seine Wut über die Anwesenheit der anderen.
    «Zeigen Sie mir endlich den Haut-Bourton», fuhr er Martin ungeduldig an.
    Martin tat, als ob er sich nicht ganz sicher sei, ging zuerst an das falsche Regal, schüttelte den Kopf und «fand» schließlich die Kiste. «Leider nur drei Flaschen.»
    »Mehr nicht? Zeigen Sie mal die Kiste.» Verärgert starrte der Mann auf die Etiketten. «Woanders vielleicht?» Es hörte sich wie eine Drohung an.
    «So ist das bei guten Jahrgängen.» Martin zuckte mit den Achseln. «Leider werden nur wenige Flaschen abgefüllt, einige Jahre später sind die guten Jahrgänge schwer zu bekommen.»
    Wie konnte er rauskriegen, ob der Mann an dem Diebstahl vor dem Gasthaus beteiligt gewesen war? «In Frankreich haben Sie bestimmt mehr Glück. Seit wann sind Sie ... auf der Suche?»
    Die Lederjacke antwortete nicht.
    «Haben Sie es hier in der Stadt schon bei anderen Weinhändlern versucht?»
    «Ich nehme die drei», sagte die Lederjacke kurz.
    «Geben Sie mir Ihre Adresse, ich kenne eine Menge Händler und könnte versuchen, den Wein für Sie zu bekommen. Ich würde Sie dann verständigen ...»
    Auch darauf ging die Lederjacke nicht ein. Der Anwalt hatte einen Sangiovese mit einem kleinen Teil Cabernet von einer berühmten Fattoria gefunden, und gemeinsam stieg man wieder ans Tageslicht. Nie war Martin so erleichtert gewesen, den Keller zu verlassen.
    Über die Preise wurde man sich schnell einig. Während der Anwalt mit Kreditkarten hantierte, zahlte der Korse bar und verließ grußlos mit seinem Begleiter den Laden. Martin sah ihnen nach, der Korse blickte zurück, als wollte er sagen: «Mon ami, wir sehen uns bestimmt wieder.»
    Martin brachte den Super-Toskana zum Wagen des Ehepaares und stellte ihn in den Kofferraum. Als er wieder in den Laden kam, vertrat Frau Schnor ihm den Weg.
    «Vielleicht geht’s mich nichts an, aber da stimmt doch was nicht!»
    Martin wich ihrem Blick aus und sah die offene Bürotür. «War der Franzose drin?»
    «Ja, er hat rumgeschnüffelt wie ein Fuchs, und als ich telefoniert habe, war er plötzlich drin. Ich bin sofort hinterher. Er stand vor dem Foto von Monsieur Gastons Haus.»
    Mit einem Satz war Martin im Raum. Die Unterlagen auf dem Schreibtisch waren durchwühlt, die Schublade mit den Schlüsseln stand ein wenig offen, aber keiner fehlte.
    «Wieso haben Sie ihn reingelassen?», fuhr Martin Frau Schnor heftig an. «Schließen Sie die Ladentür ab», sagte er barsch und schob ein «Bitte» nach. «Ich muss mit Ihnen reden.»
    Ausführlich schilderte Martin den letzten Morgen in Saint-Émilion und Gastons sonderbares Verhalten, dann den Diebstahl des Weins. In groben Zügen ging er auch auf die Unterschiede zwischen den beiden Weinen ein.
    Frau Schnor war genauso ratlos wie Martin. Er beschwor sie, in den nächsten Tagen, wenn er nicht da war, besonders vorsichtig zu sein. Nachdem sie gegangen war, schloss er sich ein und wiederholte die Verkostung. Das Resultat war letzten Endes gleich, obwohl beide Weine mehr als 48 Stunden lang Luft gezogen hatten. Hätte er jeden für sich allein getrunken und sie einzeln beurteilen müssen,
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