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Tod eines Holländers

Tod eines Holländers

Titel: Tod eines Holländers
Autoren: Magdalen Nabb
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war still geworden. Der Wachtmeister hatte das Licht im Wohnzimmer eingeschaltet und saß tief versunken in seinem Sessel, doch das Licht war unerklärlich düster, und die S t ille schien sich von oben herabzusenken; von Di Nuccio und Lorenzini in der oberen Etage war ke i n Laut zu hören. Vielleicht sollte er hi n aufgehen und nach ihnen sehen, aber ihm war nicht wohl bei dem Gedanken. Ob sie auch dasaßen und in die Stille hineinhorchten, die sonst von Ginos Radio erfüllt worden war?
    Der Wachtmeister hatte das Radio zusam m en m it Ginos übrigen Habseligkeiten in die Schule gebracht. Der Bruder lag m it einem Schock auf der Krankenstation. Sobald er sich halbwegs erholt hatte, würde er m i t dem Zug nach Pordenone fahren und weiter in sein Dorf, um d ie Leic h e nach Hause zu bringen. Einen seiner Ka m eraden würde m an m itschicken, da m it er sich um i hn küm m ern konnte, bis er so weit wiederhergestellt war, daß er auf die Schule zurückkehren konnte, falls er jemals zurückkäme. Es war unsinnig, einem Jungen wegen eines Trauerfalls Hei m aturla u b zu geben, wenn das für eine ar m e F a m ilie nur Mehrarbeit und zusätzliche Kosten bedeutete und der Junge aus der U m gebung seiner Freunde herausgerissen würde, die ihn verstehen konnten.
    Der Wacht m eister hatte die paar Habseligkeiten, die Ginos persönlicher Besitz waren, auf den Schreibtisch des Adjutanten gelegt. Er spürte, daß er ihm ein wenig von seinen Sorgen erzählen konnte.
    »Ich versuch ' s ja zu verstehe n « , hatte er gesagt. » I ch versuch ' s ja… aber diese ganzen Skandale, von denen m a n im m er wieder hört… Politiker und all die anderen, die uns seit Jahren an der Nase heru m führen… und diese verwöhnten Gören, die sich einbilden, auf alles eine Antwort zu wissen und viel zu schlau sind, als daß sie groß darüber nachdenken, wenn sie ein paar von uns unbedeutenderen Sterblichen über den Haufen knallen und sich einfach neh m en, was sie haben wollen… naja, ich m öcht nur wissen, was das m it einem jungen Kerl wie Gino alles zu tun ha t ? Warum ausgerechnet er? Sie haben ihn gar nicht g ekannt… er war keine Leuchte und auch nicht ehrgeizig… aber er war ein gu t er Mensch…«
    Er hatte sich in seinen Gedanken verloren und saß jetzt da und starrte auf seine m ächtigen Hände.
    »Er war Carabiniere « , sagte der Ad j utant sanft. »Er hat se i n Bestes getan. Er ist nicht der erste, der im Dienst er m ordet wurde, und er wird auch nicht der letzte sein . «
    Für den Wachtmeister gi n g es gar nicht daru m , aber ihm fehlten die Worte, um auszudrücken, was se i ner Ansicht nach falsch war. Es ging ihm nicht daru m , daß m an als lo y aler Polizist sein Leben riskierte. Es hatte da m it zu tun, daß es i m mer die Ginos dieser Welt waren, die bezahlen m ußten, ganz gleich, wofür s i e eintraten. Da er sich aber nicht ausdrücken konn t e, sagte er nur: » Jawohl, Herr Major…«
    »Es wird natürlich ei n e offizielle Untersuchung des Falles stattfinden, das wissen Sie ja bestimmt. Daß die beiden im Unrecht waren, steht völlig außer Zweifel . «
    Agenten von DIGOS, dem Staatsschutz, waren nicht berechtigt, Operationen durchzuführen, ohne die l okalen Polizeikräfte vorher davon in Kenntnis gesetzt zu haben. Es war nä m lich immer wieder vorgekom m en, daß irgendwelche Leute die Polizei oder die Carabinieri gerufen hatten, weil sie beobachtet hatten, daß scheinbar respektable Bürger m it vorgehaltener Waffe aus dem Restaurant oder dem Kino abgeführt wurden. In der peinlichen Situation, zu der es daraufhin gekommen war, hatten die lokalen Polizisten ziemlich dumm und düpiert dagestanden, und außerdem war es gefährlich.
    »Es geht jedenfalls nicht an, daß diese Leute sich nach Belieben über die geltenden Gesetze hinwegse t ze n « , fuhr der Adjutant fort.
    »Ich wollte I hnen auch sagen, daß die regelmäßi g e Überprüfung des Hotels, die Sie in Ihrem Revier durchführen, sehr wohl gewürdigt wird. Sie haben uns damit sc h on einige Male weitergeholfen… auch wenn es in diesem Fall zu einer Tragödie gekommen ist… na ja, wir hoffen, daß Sie deswegen nicht aufhören…«
    Der Wachtmeister starrte ihn m it fiebrigen Augen an.
    » S ie verstehen nicht«, sagte er langsam. » S ie verstehen nicht, daß es in mancherlei Hinsicht vielleicht genützt hat, aber… ähm, ich hatte ja genau so eine Sache verhindern wollen.«
    Jetzt war es acht Uhr abends. Er konnte sich einfach nicht dazu
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