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Tod den Unsterblichen

Tod den Unsterblichen

Titel: Tod den Unsterblichen
Autoren: Frederik Pohl
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zu Boden. Er war sich nur undeutlich der Hände bewußt, die ihn herumwälzten, und des beißenden Geschmacks von etwas – war es Schnaps? Aber er trankt doch nie Schnaps! –, das sie ihm gewaltsam einflößten.
    »Wir haben einen«, sagte einer der Hubschrauberpolizisten leicht torkelnd mit schwerer Zunge.
    Senator Dane wußte es nicht, aber ein Dutzend Gestalten taumelten um ihn herum und weitere drangen ein. Als er allmählich das Bewußtsein wiedererlangte, wußte er es, aber da war es schon zu spät. Es war so still. Die Stimmen in seinem Verstand waren verstummt!
    Der Alkohol errichtete eine Schranke. Er machte ihn taub, blind, hilflos. Dane hatte nur Augen und Mund und Ohren, und für jemanden, dessen ganzes Leben von Gedankenblitzen erleuchtet wurde, ist das gleichbedeutend mit Blindheit. Er brach in Schluchzen aus.
     
    Cornut kam an der Küche vorbei, in der die Diener unter Bewachung hockten und Senator Dane am Boden lag, und eilte hinter den Polizisten her. Er hörte Schüsse, und vor Panik wurde ihm übel. Das war der Augenblick der Wahrheit; in wenigen Sekunden würde die Welt ihr Gesicht für immer verändern, eine weidende Herde, von deren Fülle sich die Unsterblichen mästeten oder ein Tumult führerloser Billionen – Nein. Nicht er hatte das gedacht! Und im Nu versetzte er sich in einen anderen Verstand; St. Cyrs exzentrischer Zorn war so weit und stark in ihn eingedrungen, daß nicht einmal Kampf und Alkohol ihn ganz zu unterdrücken vermochten; was er empfunden hatte, war das, was St. Cyr empfand.
    Cornut rannte los. Es war so, als wäre er an zwei Orten zugleich; er sah die Polizei schießend hereinstürzen, und er rannte hinter ihnen her.
    Die Unsterblichen wehrten sich, so gut sie konnten, aber ihre Waffen taugten nichts mehr. Sie glichen Millionären, die versuchen, sich von einem angreifenden Nashorn freizukaufen, oder einem Hitler, der versucht, ein Erdbeben seinem Willen Untertan zu machen. Sie konnten sich gegen diese nackte Gewalt nicht behaupten, sie konnten nur sterben oder sich gefangennehmen lassen; und die dumpfe Wut in ihrem Verstand war wie ein Schrei oder wie Gestank.
    Cornut fing einen letzten klaren Gedanken von St. Cyr auf: Wir unterliegen. Es folgte sonst nichts mehr. St. Cyr war tot; und um ihn herum überwältigte die Polizei die Überlebenden.
     

 
18.
     
    Auf dem Rückweg verlor Cornut die Besinnung und schlief stundenlang seinen Rausch aus. Rhame ließ ihn schlafen. Jetzt war Zeit für alles vorhanden, sogar für den Schlaf. Die Mediziner stellten bereits auf Grund der wiedergefundenen Archivtonbänder den Impfstoff her; hundert Liter Serum wurde unter die bereits Kranken verteilt. Die aufgebrachte Menge beruhigte sich – es bedurfte nur der Hoffnung, damit sich ihre Wut legte –, und für die meisten war die Gefahr gebannt. Nicht für alle. Das Serum konnte zum Beispiel nicht rechtzeitig in Südafrika eintreffen, und dort gab es schon viele Tote. Aber die Toten gingen nur in die Millionen …
    Cornuts Erwachen glich einer Explosion.
    Ihm brummte der Kopf; er rappelte sich kampfbereit auf die Beine. Rhame, der zwar voller Wachhaltetabletten war, aber sichtlich nachließ, beschwichtigte ihn schnell: »Alles in Ordnung. Sehen Sie nur.« Sie waren wieder in der Stadt, in einem hastig geräumten, unter Polizeibewachung stehenden Flügel eines Krankenhauses. Darin waren Paare schlafender oder torkelnder uralter Männer und Frauen untergebracht, Zimmer an Zimmer, den ganzen Korridor entlang. »Zwanzig«, sagte Rhame stolz, »und jeder garantiert mit 1,5 Promille im Blut oder mehr. Wir halten sie in diesem Zustand, bis wir beschlossen haben, was mit ihnen geschehen soll.«
    »Nur zwanzig?« fragte Cornut, plötzlich alarmiert. »Was ist mit den anderen?« Rhame lächelte wie ein Hai. »Ich verstehe«, sagte Cornut und stellte sich den merkwürdigen Widerspruch vor: ein toter Unsterblicher … Besser, sagte er sich, als ein toter Planet.
    Er wollte keine Zeit mehr verlieren. Er mußte Locille sehen. Rhame hatte schon die Universität angerufen und berichtete, daß es ihr gutgehe, daß sie aber noch schlafe; Cornut wollte sich jedoch selbst davon überzeugen.
    Ein Polizeihubschrauber brachte ihn bei strömendem Regen zum Campus, und er rannte, nach rechts und links blickend, über das nasse Gras. Der Rasen war fleckig und mit Abfällen besät; die Fenster der Universitätsklinik zeigten, wo die aufgebrachte Menge sich fast gewaltsam den Zutritt verschafft hatte; er eilte
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