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Tod auf Ormond Hall

Tod auf Ormond Hall

Titel: Tod auf Ormond Hall
Autoren: Anne Alexander
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führte er seinen Sohn in den Nebenraum. "Was ist nur in dich gefahren?“, hörte ihn Michelle noch fragen, bevor sich die Tür hinter ihnen schloss.
    "Es tut mir leid, was Kevin zu Ihnen gesagt hat, Michelle." L ady Patricia legte begütigend den Arm um die junge Frau. "Selbstverständlich hätte er Sie auch unter keinen Umständen schlagen dürfen. Kevin hat leider manchmal ein ziemlich aufbrausendes Temperament. Sicher tut es ihm inzwischen leid."
    "Das glaube ich nicht, Lady Patricia", erwiderte Michelle. "Ich bin froh, dass Kevin mir Gelegenheit gegeben hat, seinen wahren Charakter noch vor unserer Trauung kennen zu lernen. Die ganze Zeit über spürte ich schon, dass er anders ist als der Mann, den ich in Athen in ihm gesehen habe." Sie schüttelte den Kopf. "Ich kann ihn nicht heiraten."
    "Dann denken Sie wenigstens an den Skandal, den es geben würde, wenn wir die Trauung absagen", beschwor sie Lady Patricia. "Sie lieben meinen Sohn doch. Kevin wird sich ändern, wenn er erst einmal verheiratet ist. Ich kenne doch meinen Jungen."
    "Er ist aufbrausend und jähzornig, Lady Patricia", widersprach Michelle, "und zudem krankhaft eifersüchtig. Ich bin überzeugt, dass er Danielle erst in die Arme von Roger Nevins getrieben hat." Wieder glaubte sie, ihre Schwester stürzen zu sehen. Sie vergrub ihr G esicht in den Händen.
    "Ich fühle, dass es Ihnen leid tut, Michelle", meinte Kevins Mutter begütigend. "Gehen Sie jetzt zu Bett. Ich werde dafür so rgen, dass man Ihnen ein Schlafmittel bringt. Morgen früh sieht die Welt dann schon wieder ganz anders aus." Sie lächelte ihr ermunternd zu. "Sie werden sehen, morgen wird sich Kevin bei Ihnen entschuldigen und dann ist alles wieder gut."
    "Nein, bis morgen wird sich nichts geändert haben, Lady Patr icia", sagte die junge Frau. "Selbst wenn sich Kevin bei mir entschuldigen sollte, ich kann ihn nicht heiraten. "Ich habe ihn geliebt, aber diese Liebe hat er selbst gründlich zerstört. Ich kann nur noch Mitleid mit ihm empfinden."
    Niedergeschlagen verließ Michelle den Salon. Draußen stieß sie fast mit Edward zusammen, der mit seinem Pfleger auf dem Weg in die Bibliothek war. Sie schenkte ihm ein flüchtiges L ächeln und stieg die Treppe zu ihrem Zimmer hinauf.
    17.
    Den Rest des Abends verbrachte die junge Frau damit, ihre Sachen zu packen. Hin und wieder trat sie ans Fenster und blickte in den Park hinaus. Noch immer tobte das Gewitter. Weder Mond noch Sterne waren am Himmel zu sehen.
    Das Unwetter entsprach Michelles Stimmung. Während sie Kleidungsstücke in die Koffer legte, rannen Tränen über ihr G esicht. Nie zuvor in ihrem Leben hatte sie sich so einsam gefühlt. Mit was für Hoffnungen war sie nach Ormond Hall gekommen und wie gründlich war alles zerstört worden, was sie erträumt und ersehnt hatte.
    Sie dachte an Roger Nevins und ertappte sich bei dem Wunsch, sich in seine Arme zu flüchten. Sie fühlte, dass er ihr den Halt geben konnte, dessen sie jetzt bedurfte. Aber Roger ahnte nicht einmal, dass sie gerade dabei war, ihre Koffer zu packen.
    Kurz vor Mitternacht ging Michelle zu Bett. Sie nahm sich ein Buch, weil sie ohnehin nicht schlafen konnte. Die Tabletten, die ihr Mrs. White im Auftrag Lady Patricias gebracht hatte, lagen unberührt auf dem Nachttisch. Doch die Zeilen verschwammen vor ihren Augen. Sie legte das Buch beiseite und vergrub ihr Gesicht in den Händen. Verzweifelt schluchzte sie auf.
    Plötzlich spürte Michelle eine sanfte Berührung. Sie hob den Kopf. Danielle saß neben ihr auf dem Bett und lächelte ihr zu. "Ich bin froh, dass du da bist", meinte sie zu ihrer toten Schwester. "Du wolltest mich vor Kevin warnen, nicht wahr?"
    Danielle nickte.
    Michelle wollte noch etwas sagen, doch in diesem Augenblick hörte sie ein schnarrendes Geräusch. Erschrocken sprang sie aus dem Bett. Unsicher blickte sie sich um. Sie hatte abgeschlossen und den Riegel vor die Tür geschoben, also konnte niemand in das Zimmer eindringen, dennoch hatte sie Angst.
    Danielle wies entsetzt zum Kamin.
    Michelle schrie erschrocken auf. Wie von Geisterhand glitt die Rückwand des Kamins beiseite. Bereits im nächsten Augenblick stand Kevin bei ihr im Zimmer. In ihrer Angst wich sie bis zum Fenster zurück.
    Mit einem überlegenen Grinsen kam Kevin Ormond auf sie zu. Im Gehen wischte er eine Spinnwebe von seiner Jacke. "Diese Geheimgänge sind sehr schmutzig, wenn sie lange nicht gebraucht wurden", sagte er. "Ich hätte ihn schon neulich benutzen können,
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