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Tod auf der Themse

Tod auf der Themse

Titel: Tod auf der Themse
Autoren: Paul Harding
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Matrosen an Bord,
     einer am Bug, einer am Heck.« Shawditch nagte an der Unterlippe.
     »Am Mast hing eine Laterne, und das Schiff lag in Hörweite
     anderer Schiffe, die dort ankerten.«
    »Und was ist geschehen?«
     unterbrach Cranston ungeduldig.
    »Kurz vor Tagesanbruch
     kam ein Matrose mit seiner Dirne zurück. Sie kletterten an Bord und
     fanden das Schiff verlassen vor - kein Erster Maat, keine Wache.«
    »Und?«
    »Niemand hatte gesehen,
     daß jemand vom Schiff weg oder dort hingefahren ist; freilich lag in
     der Nacht dichter Nebel über dem Fluß. Aber das ist nur die Hälfte
     des Rätsels, Sir John. Seht Ihr, eine Stunde, bevor der Matrose zurückkam,
     fragte die Wache an Bord des benachbarten Schiffes, der Holy Trinity, gemäß
     dem Befehl des Admirals, ob alles in Ordnung sei. Und von der God’s
     Bright Light antwortete eine Stimme mit der vereinbarten Parole.«
    »Die lautete?«
    »Zum Ruhme des Hl.
     Georg.«
    Cranston lehnte sich zurück.
     »Mit anderen Worten, es ist also anscheinend überhaupt nichts
     Außergewöhnliches an Bord dieses Schiffes geschehen? Die Wache
     hat dem Nachbarschiff sogar mit der richtigen Parole geantwortet?«
    »Aye, und sie dann dem
     nächsten Schiff weitergegeben, der Saint Margaret«, antwortete
     Shawditch.
    »Und doch«, fuhr
     Cranston fort, »wird das Schiff kurz danach verlassen vorgefunden.
     Keine Spur vom Ersten Maat und der Wache, zwei gesunden Seeleuten.«
    »So ist es, Sir John.«
    »Könnten sie
     desertiert sein?«
    Shawditch verzog das Gesicht.
    »Und es gab kein
     Anzeichen von Gewalt?«
    »Nicht das geringste.«
    »Etwas gestohlen?«
    Shawditch schüttelte den
     Kopf.
    »So, so, so«,
     sagte Cranston leise. »Was Athelstan wohl dazu sagen wird?«
    »Das weiß der
     Himmel«, antwortete Shawditch. »Aber der Bürgermeister
     und der Stadtrat verlangen Aufklärung.«

 
    Zwei
    Bruder Athelstan saß am
     Küchentisch seines kleinen Pfarrhauses von St. Erconwald in Southwark
     und starrte mißgelaunt ins Feuer. Er hatte die Frühmesse
     gelesen, hatte mit Hilfe der Kurtisane Cecily die Kirche geputzt und mit
     Tab, dem Kesselflicker, über ein paar Töpfe gesprochen, die
     repariert werden mußten. Dann hatte er sich von der Witwe Benedicta
     verabschiedet, weil sie für ein paar Tage auf die andere Seite der
     Themse zu einer Verwandten wollte, die kurz vor der Niederkunft stand.
    Athelstan erhob sich und rührte
     in dem Porridge, der in einem schwarzen Kessel über den Flammen
     kochte. Dann schaute er sich nach Bonaventura um, dem großen, einäugigen
     Kater, der geduldig auf dem Tisch saß und sich zierlich putzte,
     nachdem er die Nacht über in den Gassen rings um die Kirche auf der
     Jagd gewesen war.     
    »Gleich ist es fertig,
     Bonaventura. Heiße Hafergrütze mit Milch, dazu Zimt und Zucker.
     Benedicta hat sie selbst zubereitet, bevor sie ging. Sie wird köstlich
     schmecken. In der kommenden Woche werden wir frühstücken wie die
     Könige.«
    Der Kater gähnte und
     starrte diesen seltsamen Dominikaner, der dauernd mit ihm sprach, mit
     arroganter Miene an. Athelstan wischte den Hornlöffel ab, hängte
     ihn an seinen Haken, streckte sich und gähnte.    
    »Ich hätte ins
     Bett gehen sollen«, murmelte er. Statt dessen war er auf den Kirchturm
     geklettert, um die Sterne zu betrachten, und mit ehrfürchtigem
     Staunen hatte er den feurigen Fall eines Meteors beobachtet. Er setzte
     sich wieder an den Tisch und trank einen Schluck von seinem verdünnten
     Ale.
    »Warum nur?«
     fragte er Bonaventura. »Sag es mir, du gerissenster unter den
     Katern. Warum fallen Meteore vom Himmel, aber Sterne nicht? Oder«,
     fuhr er fort, als er sah, daß der Kater ihm aufmerksam zuhörte,
     »sind Meteore herabfallende Sterne? Und wenn sie es sind, was
     veranlaßt den einen und nicht den anderen Stern herabzufallen?«
    Der Kater blinzelte mit
     seinem gesunden Auge.
    »Und das Problem wird
     noch verwickelter«, sagte Athelstan. »Ich will es einmal so
     ausdrücken. Warum bewegen sich manche Sterne? Das Sternbild, das man
     den Großen Bären nennt, tut es zum Beispiel, aber der Stern der
     Schiffe, der Polarstern, tut es nie.«
    Zur Antwort miaute
     Bonaventura laut und ließ sich auf den Tisch plumpsen, als
     verzweifle er ob des langen Wartens auf seine morgendliche Schale Hafergrütze.
     Athelstan lächelte und streichelte dem Kater sanft über das
     zerfranste Ohr.
    »Sollen wir überhaupt
     Fragen stellen?« flüsterte er.
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