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Tod Auf Dem Jakobsweg

Tod Auf Dem Jakobsweg

Titel: Tod Auf Dem Jakobsweg
Autoren: Petra Oelker
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dann stehen sie plötzlich da und starren einen an — da kann man schon erschrecken. Vielleicht wollte er sich einen Spaß machen, hat seinerseits die Tiere erschreckt, und sie sind auf ihn losgegangen. Hat sie denn keiner von euch gesehen?»
    Als niemand antwortete, nicht einmal Jakob, stets beruhigende Erklärungen parat hielt, sagte Leo: «Kurz hinter der letzten Kuppe schien mir, als bewege sich etwas im Nebel. Ich habe das für eine optische Täuschung oder wabernde Schwaden gehalten, womöglich waren das die Rinder.»
    «Kann schon sein», sagte Jakob endlich, «kann schon sein. Auf den Hochwiesen gibt es im Sommer grasendes Vieh. Aber das ist absolut friedlich.» Er räusperte sich und tupfte mit der Serviette seine Lippen ab. «Aggressive Tiere wären hier überhaupt nicht erlaubt.»
    «Vielleicht waren es tatsächlich gar keine Rinder, sondern Wiedergänger der alten Templer, Ritter unter weißen Umhängen.» Eva kicherte nervös. «Die haben doch früher diesen Weg bewacht und die Pilger betreut. Wer weiß, vielleicht sorgen sie heute noch für Ordnung und mögen keine Touristen, denen bei der Pilgerei die wahre Frömmigkeit fehlt. Ich habe da in einem Buch...»
    «Hör auf mit deinen Gruselgeschichten.» Caro sah ihre Freundin voller Missbilligung an. «Ich habe dir doch gesagt, du sollst diese Schauermärchen nicht lesen. Die haben mit den wahren Mysterien des Weges so viel zu tun wie der Weihnachtsrummel mit dem Wunder der Geburt Christi. Erspare uns den Unsinn. Sollen wir uns an jeder unübersichtlichen Ecke fürchten? Und erspare uns auch deine Unglückszählerei: dreizehn Tage unterwegs, dreizehn Wanderer. Fehlt bloß noch eine schwarze Katze, die uns über den Weg läuft.» Eva machte verdutzt schmale Lippen, und Caro fuhr ruhiger fort: «Warum ist Benedikt überhaupt alleine gegangen? Wo war Nina?»
    «Weiter vorne», erklärte Felix. «Er wollte ständig Nebelfotos machen und ist immer wieder stehen geblieben. Ihr war’s zu kalt, deshalb ist sie vorausgegangen. Die beiden sind schließlich keine siamesischen Zwillinge.»
    «Es kann aber nicht weit gewesen sein.» Jakob blickte immer noch dankbar zu Eva. Seit Stunden wartete er auf den Vorwurf, seine Auswahl der Strecke sei schuld an dem Unglück. Dabei gab es hier nichts auszuwählen — an vielen Abschnitten bot der alte Pilgerweg alternative Routen, hier gab es nur den einen, im Übrigen breiten Weg über die Passhöhe, falls man nicht an der starkbefahrenen Landstraße entlangmarschieren wollte. Aber Reiseleiter trugen immer an allem die Schuld, selbst am Wetter. Evas resolutes Beharren auf der Sicherheit der Strecke war das Beste, was er heute Abend gehört hatte.
    Jakob war mit Helene, Sven und Edith als Letzter aufgestiegen. Sie hatten Hilferufe gehört, jedenfalls hatte es danach geklungen, und waren gleich losgerannt. Als sie die Absturzstelle erreichten, traf Nina auch von der anderen Seite ein, kurz vor Felix.
    Felix war mit Enno und Selma noch weiter voraus gewesen. Auch sie hatten Leos Hilferufe gehört, entschieden, dass sie sich überhaupt nicht nach einem schlechten Scherz anhörten, und waren sofort umgekehrt. Nina hatten sie ein Stück vor der Unglücksstelle getroffen. Sie hatte die Kapuze fest um den Kopf gezurrt und nichts gehört.
    «Sie ist ziemlich fit und war uns gleich ein paar Schritte voraus», schloss Felix. «Ich denke, sie hat sich Sorgen gemacht, sie wusste ja, dass die Rufe aus Benedikts Richtung kamen. Und wenn! er gerne an Klippen rumbalanciert...»
    «Schrecklich», murmelte Selma. Sie schob ein traurig herabhängendes Löckchen aus der Stirn, gab dem Kellner ein Zeichen für eine weitere Flasche Wein und lehnte sich matt zurück «Wenn du nicht so gute Ohren hättest, Leo — wer weiß?, dann läge der arme Junge immer noch in der Schlucht. So ein Unglück! Und gleich am ersten Tag. Ich glaube nicht, dass er betrunken war oder drogensüchtig ist, da kann so etwas ja leicht passieren. Nein, das glaube ich wirklich nicht», beteuerte sie eilig, als Helene empört nach Luft schnappte. «Wie gut, dass wir nicht in einem Funkloch waren, sonst hätte es sicher ewig gedauert, bis der Rettungswagen da gewesen wäre. Wie die Männer den armen Jungen dann hochgeholt haben, flink und doch ganz behutsam — wirklich tadellos! Man kann gegen die Spanier mit ihrer ewigen Siesta und ihrem weißen Pappbrot sagen, was man will — ihre Bergwacht funktioniert ausgezeichnet.»
    Sie gab sich große Mühe, bekümmert auszusehen,
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