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Tod & Trüffel

Titel: Tod & Trüffel
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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Legende nach lebte Giacomo in dieser Stadt. Dort, wo es nur frisches Fleisch gab und keine Zäune, wo all die berühmten Hunde in Palästen weilten, derPriester, der Unglaubliche Houdini oder der Spürer, wenn es den überhaupt gab und nicht nur in Geschichten, um ungezogenen Welpen Angst zu machen.
    Er würde nach Alba laufen.
    Sofort!
    Mit Giacomo zusammen würde er alle wiederfinden, und alles würde gut. So wie früher.
    Niccolò stand auf.
    Zwei Lichter erschienen und wurden immer größer und heller. Wie zwei Sonnen, die auf ihn zurasten.
    Sie trafen ihn mit voller Wucht.
    Es war ein dumpfer Schlag zu hören, als die metallene Karosserie Niccolò erfasste.
    Doch niemand erwachte.

 
    Kapitel 3
     
     
    BEGEGNUNG
     
     
    E s musste ein guter Tag sein, dachte Giacomo, denn Barolo gab es selten. Die zwei alten Suppenschüsseln, in welche Giovanna Battista Weine für ihn geschüttet hatte, waren nahezu voll. Das würde seinen Schlaf lang und seinen Körper wohlig warm werden lassen.
    Giovannas Piaceri del Gusto war ein Delikatessengeschäft in einer Seitenstraße der Via Vittorio Emanuele II mit großen, dunkelgrün umrandeten Schaufenstern, das neben piemontesischem Wein – vor allem Barolo, Barbaresco, Barbera und Roero Arneis – auch Hartweizennudeln, Haselnussspezialitäten, Honig und Gebäck verkaufte.
    Als Giacomo einmal die letzten Tropfen von der Flaschenöffnung eines Barolo schleckte, die er in einem umgeworfenen Mülleimer gefunden hatte, hatte Giovanna Battista ihn entdeckt. Ein Hund müsse sehr verzweifelt sein, um Rotwein zu trinken, hatte sie gedacht, und Giacomo ein Schälchen Wasser spendiert. Doch dieser war, nachdem er den letzten hauchdünnen Film Wein vom Glasrand geschleckt hatte, gegangen. Ohne das Wasser anzurühren.
    Als er wenige Tage später vor ihrem Laden unter einem Balkon im Schatten lag, kam sie mit einem Schälchen Wein zu ihm, um herauszufinden, ob alles nur ein dummer Zufall gewesen war. Sie hatte den gleichen Wein gewählt, den Giacomo im Müll gefunden hatte. Der alte Trüffelhund hatte dies gleich erkannt. Die Flasche war diesmal allerdings nicht so lange offen gewesen, was dem Barolo wenigerGelegenheit gegeben hatte, sein jugendlich raues Gemüt zu kühlen. Trotzdem trank Giacomo ihn, schlappte jedoch langsamer als zuvor. Als das Schälchen leer war, füllte Giovanna Battista es mit einem einfachen Nebbiolo auf. Giacomo schlug das Schälchen mit der Pfote um. Beleidigen ließ er sich nicht.
    Danach hatte die dunkelhaarige Weinhändlerin mit den strengen Gesichtszügen und dem starken Duft nach Zigarillos eine Testreihe begonnen und alsbald festgestellt, dass der alte Hund nur den besten Wein annahm, und selbst diesen nur, wenn er korrekt gelüftet worden war. Dieser Snobismus imponierte ihr, und wann immer sie nun kostbare Reste in einer Flasche hatte, die nicht für ein ganzes Glas reichten, flossen sie Giacomo zu, der jeden Abend auf seiner Runde durch die Straßen Albas an den vielversprechendsten kulinarischen Stationen vorbeiflanierte.
    Giovanna Battista hatte nur alle drei, vier Tage etwas für ihn, und so viel wie heute war es fast nie. Giacomo spürte schnell, wie der Alkohol wirkte und sein Hirn in Watte packte, wie die Lider schwer und die harte Steinstraße weicher wurden. Die Weinhändlerin beobachtete ihn gern beim Trinken, stand dann mit gekreuzten Armen im holzgetäfelten Eingang ihres Geschäfts und kaute gedankenverloren auf ihrer Unterlippe. Niemals hatte sie versucht, ihn zu streicheln oder hereinzubitten, niemals das Wort an ihn gerichtet. Sie genoss es wohl, bei ihm nicht reden zu müssen.
    Giacomo senkte seine dunkle Nase – vieleckig und verwarzt wie eine Trüffel und so feucht glitzernd, als führe sie ein Eigenleben – genießerisch nahe an die Oberfläche der ersten roten Pfütze. Sofort nahm er den typischen Geruch von Lakritz wahr, den Barolos verströmen und den er so liebte. Der Wein musste aus der Gegend um La Morra stammen, wo die Böden elegante, flüchtige Weine erlaubten,wogegen der zweite Wein, rechts daneben, Serraluna seine Heimat nennen musste, war er doch robuster und schwerer.
    Giovanna Battista lächelte zufrieden, als Giacomo seine Zunge in die linke Schüssel tauchte. Da stürzte sich ein Jack-Russell-Terrier von hinten auf Giacomo und brachte ihn aus dem Gleichgewicht.
    »Du musst sofort mitkommen!«, brachte er nach Luft schnappend hervor. »Würste, unglaublich viele Würste. Magst du doch, oder? Berge davon, sag ich dir! Da
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