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Tochter der Nacht

Tochter der Nacht

Titel: Tochter der Nacht
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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bis schließlich eine smaragdgrüne Eidechse über den felsigen Boden lief, die sich blitzschnell in einer dunklen Spalte verbarg.
    Paminas Gesicht war bleich vor Entsetzen, doch sie sah Tamino mit tränenlosen Augen an.
    »Er hat seine wahre Gestalt gefunden«, flüsterte sie. »Sein Körper entspricht jetzt seiner Seele.«
    Ein Schauer lief Tamino über den Rücken.
    Das Schicksal hatte Monostatos so schnell ereilt, daß die Sternenkönigin noch immer wie gebannt dastand. Schließlich sagte sie zu Pamina: »Ich hätte niemals zugelassen, daß er dir etwas antut.« Doch ihre Worte klangen hohl und leer. Pamina sah ihre Mutter wie versteinert an.
    »Du hast mich belogen, und du hast Tamino belogen. Hast du jemals die Wahrheit gesagt?«
    In der Stimme der Sternenkönigin lag Verachtung. »Wahrheit? Was bist du doch für eine Närrin, Pamina! Du hast Sarastros Lügen geglaubt. Ich habe getan, was ich tun mußte, und ich entschuldige mich nicht dafür. Soll also Krieg zwischen uns herrschen, Pamina?« Mit einer herrischen Geste rief sie ihren drei Töchtern zu:
    »Bringt sie in den Palast! Ich werde mich ihrer annehmen!«
    Doch die drei blieben reglos stehen.
    »Ihr habt auch uns belogen«, sagte Zeshi schließlich. »Unser ganzes Leben lang habt Ihr uns belogen. Wir haben Euch treu gedient, und Eure Liebe und Eure Sorge galten nur Pamina.
    Für Euch waren wir nie etwas anderes als Dienstboten, die man zum Wohl unserer Schwester ausbeutet!«
    »Wie kannst du so etwas sagen? Du hast immer an meiner Seite gestanden und die Macht mit mir geteilt«, erwiderte die Sternenkönigin, »doch nun verstoße ich dich ebenfalls, dann werden sich alle deine närrischen Träume zerschlagen. Kamala! Du hast mir immer willig mit deinen Waffen gedient…«
    ∗ ∗ ∗
    »Aber nie wieder«, flüsterte Kamala. »Pamina, Schwester…
    ich bin dir nie eine gute Schwester gewesen. Aber ich flehe dich an, hilf mir.«
    Pamina flüsterte: »Schwester, sei was du sein willst…«
    Einen Augenblick lang stand Kamala regungslos. Dann begann sie zu Paminas Entsetzen zu schrumpfen. Ihr leeres Gewand sank zu Boden. Kamalas Beine hatten sich bereits halb in den Sand gegraben; Pamina erinnerte sich daran, wie sie selbst Wurzeln getrieben hatte und erbebte vor Mitgefühl.
    Kamala streckte jetzt ihre winzigen Arme aus – sie wurden grün, und plötzlich wuchsen an ihnen die spitzen Stacheln eines Wüstenkaktus. Kamala zitterte noch einmal und erstarrte dann inmitten ihrer nutzlosen Waffen, denen sie ab-geschworen hatte.
    Das lähmende Entsetzen wich nach einem Augenblick. Dann ertönte ein Donnerschlag, ein wütender Aufschrei folgte, und die Sternenkönigin beugte sich in ihrem ganzen Zorn über Kamala, um sie zu vernichten.
    »Ihr seid immer noch in meiner Macht!« schrie sie. Tamino sah erstarrt, wie die Sternenkönigin aus ungeheurer Höhe herabstieß, um ihre Tochter mit riesigen Händen zu zer-malmen.
    Aber Pamina breitete die Arme aus und rief in einer Stimme, die den ganzen Himmel, das ganze Universum zu erfüllen schien: »Nein! Die Gestalter sollen zwischen uns entscheiden! Ihr, Mutter, seid die Herrin der Erde, des Wassers, der Luft und des Feuers gewesen, wie ich es jetzt bin. Tamino!
    Spiele die Flöte!« Tamino setzte die Flöte an die Lippen und begann zu spielen. Pamina rief: »Im Namen der Wahrheit.
    Zeigt auch Ihr, Herrin, uns Eure wahre Gestalt: Sei was du bist!«
    Einen Augenblick lang hingen riesige graue Flügel über ihnen; schreckliche große Klauen fuhren herab, und Tamino erbebte das Herz. Doch dann strich ein Wind durch das Land der Wandlungen, eine Eule flatterte durch die einsetzende Dämmerung davon und stieß wieder und wieder ihren traurigen Klageruf aus…
    »Vogel der Nacht«, flüsterte Pamina mit tränenerstickter Stimme, »fliege in die Dunkelheit, erzähle deine Lügen allen, die sie hören wollen, bis eines Tages ein größerer Vogel kommt… o Tamino, Tamino, sie ist verschwunden!«
    Schluchzend fiel sie ihm in die Arme. »Es ist vorbei. Sie ist verschwunden, sie war die Sternenkönigin… und sie war meine Mutter. Ich habe sie geliebt, und wenn sie mich je geliebt hätte, wenn sie jemals geliebt hätte…«
    Tamino hielt Pamina in den Armen und fand kein Wort, um ihren Schmerz zu lindern. Nach einer Weile spielte er wieder die Flöte. Er wußte, diesmal riefe sie die Boten, die sie im Triumph in die Stadt zurückbringen würden, doch für sie beide würde der Triumph lange Zeit bitter und schal sein.
    Beim
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