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Titanic - Wie ich den Untergang ueberlebte

Titanic - Wie ich den Untergang ueberlebte

Titel: Titanic - Wie ich den Untergang ueberlebte
Autoren: Lawrence Beesley
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sie
hinter dem Heck der Olympic passieren wollte.
    Auf dem
Kreuzer lagen die Dinge aber angeblich ganz anders: Kommandant Blunt wollte
entgegengesetzt nach Backbord abdrehen, wurde aber trotz gelegten Ruders
unwiderstehlich zum Schnelldampfer gezogen und war zum Rammen verurteilt.
    Er traf die Olympic etwa 25 Meter vor dem Heck, riß sich selbst den Rammsteven ab und sorgte an
der Küste für viele kontroverse Diskussionen. Personenschaden gab es keinen,
aber die White Star Line hatte fortan einen Makel. Das Seeamt mußte sich mit
vielen bis dahin unbekannten Faktoren auseinandersetzen, um zu entscheiden, ob
der Sog – längsseits des letzten Rumpfdrittels – ursächlich für die Kollision
war oder nicht. Ein Streit der Experten entbrannte, und das Publikum nahm über
die Presse regen Anteil daran. Es wurde versucht, mittels Modellen und
vergleichbar kleineren Schiffen die Situation zu rekonstruieren, und man kam zu
dem Schluß, daß der Sog (namentlich mit »unerklärliche Kräfte« umschrieben) zu
dem Unglück allein ausgereicht haben müßte. Das Urteil beinhaltet aber viele
Ungereimtheiten und ließ eine Parteinahme zugunsten des Kriegsschiffes
erkennen. Zurück zur Titanic und der Frage, warum ein so erfahrener
Offizier wie Edward J. Smith, Seniorkapitän der White Star Line und mit dem
letzten Kommando seiner langen Laufbahn betraut, sich eine derartige Fehleinschätzung
bezüglich der Geschwindigkeit in Eisberggebieten hat zuschulden kommen lassen.
Deshalb wird die Reiseroute nochmals von Beginn an nachgezeichnet. Distanzen
auf See zu berechnen war eine Aufgabe des jeweils diensthabenden
Navigations-Offiziers. Dessen Ausrüstung war 1912 sehr viel bescheidener als
heute. Die Mittagsposition benutzte er seit altersher zur Bestimmung der
aktuellen Breite. Seit es zuverlässige Chronometer an Bord gab, war er auch in
der Lage, die geographische Länge mit hinlänglicher Genauigkeit zu berechnen.
Aus beiden Angaben läßt sich das Etmal, die zurückgelegte Entfernung über Grund
zwischen zwei Mittagspositionen, kalkulieren. Da das Schiff sich bewegt, treten
Zeitverschiebungen bei Ost- oder West-Reisen auf. Bei langsamen Segelschiffen
waren sie täglich nur gering, im Falle der Titanic und anderer
Schnelldampfer auf dem Nordatlantik wurde die Zeit täglich um eine Stunde
angepaßt. Jede Reederei hatte ihre eigenen Vorschriften für diese Umstellung,
und so kam es dazu, daß die Schiffe jeweils individuelle Bordzeiten führten.
Das macht den Vergleich von Zeiten und Orten von Schiffen in der Umgebung der
Kollisionsposition so schwierig und führte bei den Untersuchungen zu
zahlreichen Ungenauigkeiten.
    Und wie
machte sich die Zeitverschiebung bei der Jungfernfahrt der Titanic bemerkbar?
An Bord gab es zwei Zeiten: Auf der Brücke und im Funkraum gab es
Bordchronometer, die immer MGZ (Mittlere Greenwich Zeit, oder GMT = Greenwich
Mean Time) anzeigten. Für die Bestimmung der Längendifferenz vom Null-Meridian
war GMT unentbehrlich, aber sie war für den Bordbetrieb unpraktisch. Daher
wurde eine künstliche Zeit konstruiert, welche die Fortbewegung nach Westen
berücksichtigte. Damit sich diese Anpassung möglichst unauffällig vollzog, sah
die Anweisung der White Star Line vor, die Borduhren täglich in drei
Intervallen à 20 Minuten zurückzustellen. Das wurde jeweils in Laufe der
Abendwache (20-24 Uhr), der Nachtwache (00-04 Uhr) und der ersten Morgenwache
(04-08 Uhr) durchgeführt, so daß zur Frühstückszeit die Uhren auf die »neue«
Tageszeit eingestellt waren. Somit konnten die fünf Stunden Zeitunterschied
zwischen London (GMT) und New York (Eastern Standard Time) bequem in den fünf
Reisetagen untergebracht werden, die für die Ozeanüberquerung gebraucht wurden.
    Der Kurs der Titanic war von Smith auf dem üblichen Großkreis vom Fastnet Feuerschiff bis zum
Wendepunkt auf 42° N 47° W abgesetzt worden, dann aber aufgrund der bis dahin
eingegangen Eiswarnungen von der Baltic und der Caronia auf eine
etwas südlichere Route geändert worden (Steuerkurs ab 14. April 17.50 Uhr –
eine halbe Stunde später als üblich – 266 Grad, also fast West). Smith glaubte,
damit genug getan zu haben und auch die Reederei wollte aus seiner Entscheidung
vor dem Revisionsgericht besser abschneiden als bei der ersten Untersuchung.
    Der
Vorsitzende dieses Gremiums, Lord Vaughan Williams, führte dazu am 9. Februar
1914 aus: »Das Abweichen von der [normalen] Route von Kapitän Smith war für
sich betrachtet der Beweis,
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